Punktlandung in Sachen Liebe (German Edition)
noch?«
»Lieblingstier?«
»Weiß nicht«, sagt sie und schlägt die Augen wieder auf. »Hunde?«
Oliver schüttelt den Kopf. »Zu langweilig. Nächster Versuch.«
»Dann Elefanten.«
»Ehrlich?«
Hadley nickt.
»Wieso?«
»Als Kind konnte ich nicht ohne so einen abgeranzten Stoffelefanten schlafen«, erklärt sie, ohne zu wissen, wie sie jetzt gerade auf den kommt. Vielleicht, weil sie bald ihren Vater wiedersehen wird, vielleicht auch nur, weil die Maschine gleich abhebt und sie sich ihr altes Kuscheltier herwünscht.
»Ich weiß nicht, ob das zählt.«
»Du hast ja Elefant nie kennengelernt.«
Er lacht. »Hast du dir den Namen ganz allein ausgedacht?«
»Aber hallo«, sagt sie und muss beim Gedanken daran lächeln. Er hatte schwarze Glasaugen und weiche Schlappohren gehabt, der Schwanz war aus Schnur geflochten, und irgendwie hatte er immer dafür gesorgt, dass es ihr besser ging. Ob sie nun Gemüse essen oder kratzige Strumpfhosen tragen musste, ob sie sich den Zeh gestoßen hatte oder mit Halsschmerzen das Bett hütete, Elefant half gegen alles. Mit der Zeit hatte er ein Auge und den größten Teil des Schwanzes verloren; er war nass geheult und geschnieft und platt gesessen worden, aber immer, wenn Hadley wegen irgendwas traurig oder wütend war, hatte Dad ihr einfach die Hand auf den Kopf gelegt und sie nach oben geführt.
»Zeit, den Elefanten zu befragen«, verkündete er dann, und irgendwie funktionierte es immer. Erst jetzt wird ihr so richtig klar, dass es wahrscheinlich eher Dads Verdienst als das des Elefanten war.
Oliver schaut sie amüsiert an. »Ich bin immer noch nicht überzeugt, dass wir das gelten lassen können.«
»Okay«, sagt Hadley, »was ist denn dein Lieblingstier?«
»Der amerikanische Weißkopfseeadler.«
Sie lacht. »Das glaube ich dir nicht.«
»Nicht?«, fragt er und hält sich die Hand ans Herz. »Was ist falsch daran, ein Tier zu lieben, das zufällig ein Symbol der Freiheit ist?«
»Jetzt machst du dich über mich lustig.«
»Vielleicht ein bisschen«, sagt er grinsend. »Aber hilft es denn?«
»Wobei, dass ich dir schneller das Maul stopfe?«
»Nein«, sagt er leise. »Dass ich dich ablenke.«
»Wovon?«
»Von deiner Klaustrophobie.«
Sie schenkt ihm ein dankbares Lächeln. »Ein bisschen«, sagt sie. »Aber es wird erst richtig schlimm, wenn wir in der Luft sind.«
»Wieso das denn?«, fragt er. »Da oben ist doch jede Menge weiter Raum.«
»Aber kein Fluchtweg.«
»Aha«, sagt er. »Du brauchst also einen Fluchtweg.«
Hadley nickt. »Immer.«
»Kommt mir bekannt vor«, sagt er dramatisch seufzend. »Das kriege ich von Mädchen ständig zu hören.«
Sie lacht kurz auf und schließt dann wieder die Augen, als das Flugzeug Fahrt aufnimmt, und mit plötzlichem Lärm die Startbahn entlangschießt. Als die Schwungkraft der Schwerkraft weicht, werden sie nach hinten gedrückt, auch die Maschine neigt sich zurück, ehe sie – mit einem letzten Ruckeln der Räder – wie ein riesiger Metallvogel abhebt.
Hadley schlingt die Finger um die Armlehne, als sie höher in den Nachthimmel steigen und die Lichter unter ihnen zu Punktmustern werden. Ihre Ohren fangen an zu knacken, und sie drückt die Stirn ans Fenster, fürchtet den Augenblick, wenn sie durch die tief hängenden Wolken stoßen und der Boden unter ihnen verschwindet, wenn sie nur noch vom gewaltigen, endlosen Himmel umgeben sind.
Durchs Fenster sieht Hadley die Umrisse von Parkplätzen und Wohngebieten entschwinden und alles ineinanderfließen. Sie sieht, wie sich die Welt verschiebt und in neue Formen auflöst, die Straßenlampen mit ihrem orange-gelben Leuchten, die langen Bänder der Straßen. Sie setzt sich gerade auf, das Plexiglas kühlt ihre Stirn, als sie sich bemüht, alles im Blick zu behalten. Sie hat weniger vorm Fliegen Angst als davor, in der Luft zu hängen. Doch im Moment sind sie noch tief genug, die beleuchteten Fenster der Gebäude zu erkennen. Im Moment sitzt Oliver neben ihr und hält die Wolken in Schach.
5
22:36
EASTERN STANDARD TIME
3:36
GREENWICH MEAN TIME
Sie sind erst ein paar Minuten in der Luft, als Oliver offenbar beschließt, dass man Hadley jetzt wieder gefahrlos ansprechen kann. Als sie den Klang seiner Stimme dicht an ihrem Ohr hört, löst sich etwas in ihr, und sie entspannt ihre Hand, einen Finger nach dem anderen.
»Einmal«, sagt er, »bin ich am vierten Juli nach Kalifornien geflogen.«
Sie dreht den Kopf, nur ganz leicht.
»Es war eine klare
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