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Puppen

Puppen

Titel: Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Niall Wilson
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vorbei an Kes. Behutsam hoben sie Kayla hoch, und wenige Sekunden später ruhte die Bajoranerin auf zwei schmalen Schultern. Sofort kehrten die Urrythaner in die Schatten zurück und verschwanden in der Dunkelheit, ohne daß die Sensoren der Voyager ihren Weg verfolgen konnten.
    5
    Wortlos schritten sie durch das Land der Ahnen, die Füße im Gleichschritt, die Selbstsphären in Harmonie. Es gab kein Zögern, keine Uneinigkeit. Eine besondere Phase des
    Gleichgewichts herrschte, und sie spürten, wie die Stimme der Alten vom Boden ausgehend durch sie vibrierte, sie
    untereinander und mit dem Lied verband. Das beruhigende Empfinden von Zustimmung begleitete den Gesang – ihr
    Verhalten schien große Freude zu verursachen.
    Vok ging an der Spitze, und in ihm regte sich ein Hauch von Zweifel in Hinsicht auf die getroffenen Entscheidungen. Seine Erinnerungen gingen tiefer, basierten auf mehr Jahren.
    Während seines Lebens hatten sich die Dinge sehr verändert; die derzeitigen Ereignisse wären ihm in seiner Jugend absurd erschienen.
    Die fremde Frau kam einem Wunder gleich, soviel stand fest.
    Ihre Reaktion auf das Ambiana ließ eine große Seele vermuten, ein Schicksal. Tief in seinem Herzen glaubte Vok fest daran, aber es gab auch noch einen anderen Aspekt in ihm, einen speziellen Faktor des Bewußtseins. Vok hätte alles gegeben, um den Platz der Frau einzunehmen und an ihrer Stelle zu sein, die von ihr erfahrene Verschmelzung mit der Einen Stimme zu erleben, doch ein langes Leben erlaubte ihm, die Dinge auch aus einer anderen Perspektive zu sehen: Die Worte der
    Raumschiffkommandantin namens Janeway ergaben durchaus einen Sinn.
    Über mehr als zweihundert Jahre hinweg hatte Vok die
    Mühsal des Lebens ertragen und beobachtet, wie seine Brüder und Schwestern das Aufsteigen erreichten. Er hatte gesehen, wie ganze Generationen von jungen Leuten heranwuchsen und sich jenen hinzugesellten, die nach der großen Harmonie strebten. Nach den Maßstäben der Alten war seine eigene Reise nicht sehr lang, aber die Jüngeren verloren weniger Zeit.
    Die Dinge veränderten sich, und es fiel Vok schwer, diese Veränderungen zu verstehen.
    Jetzt waren Fremde gekommen, angeführt von einer
    Kommandantin, die sich als höflich und direkt erwies. Ihre Worte weckten in ihm einen Zweifel, den selbst zwei
    Jahrhunderte des Wartens nicht geschaffen hatten. Wenn das Aufsteigen nicht zum Glauben der Besucher gehörte: Wußten sie nur nichts vom Langen Schlaf, der Harmonie, oder waren sie anders? Folgten sie einem eigenen Weg, oder bestand Voks Schicksal darin, zu ihrem Propheten zu werden, sie zu einem Verständnis zu führen, auf das ihre bisherige
    Entwicklungsgeschichte sie nicht vorbereitet hatte? Zu viele Fragen. Und inzwischen war er dem eigenen Langen Schlaf zu nahe.
    Jene Frau, die sie nun trugen… Sie gehörte nicht zu ihrem Volk. Ihr Aufsteigen stellte etwas Besonderes dar, aber gleichzeitig handelte es sich dabei nicht um die richtige Art und Weise, um bei den Vorfahren die letzte Ruhe zu finden.
    Außerdem waren es gar nicht ihre Vorfahren. Derzeit freuten sich Voks Begleiter, aber vielleicht verwandelte sich ihre Ekstase bald in Ärger, weil bei der Fremden namens Kayla das Aufsteigen sofort begann, ohne daß sie warten mußte, um mit der Harmonie zu verschmelzen.
    Vok spürte, daß die Stimme der Vorfahren stärker wurde.
    Selbst jetzt, während er ging, hörte er ihren Gesang, und er wußte, daß auch die Fremden ihn vernahmen, auf ihrem
    eigenen Niveau. Alles deutete auf ein Erwachen hin, und das war für alle derzeit lebenden Urrythaner ein einmaliger Vorgang.
    Entschlossen setzte Vok den Weg fort. Ob es richtig war oder nicht: Sein Volk hatte verlangt, daß er auf diese Weise tätig wurde. Es herrschte die große Sorge, daß es den Fremden aus dem All gelang, die Frau zu wecken und das Geschenk der Ahnen dadurch zurückzuweisen. Viele fürchteten, daß sich eine solche Ablehnung negativ auf ihr eigenes Leben nach dem Tod auswirkte. Oder schlimmer noch: Vielleicht beendeten die Besucher den Langen Schlaf der Vorfahren und schadeten ihnen irgendwie.
    Als sich die anderen an Vok wandten und ihn aufforderten, etwas zu unternehmen, erklärte er sich bereit. Er war nur ein Individuum, noch dazu eins mit Zweifeln – er verdiente nicht die Rolle, mit der man ihn betraute. Er war der Älteste, der letzte Vertreter seiner Generation, galt damit als besonders klug und weise. Doch die Weisheit stellte kein spezielles Talent dar,

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