Puppen
bestand vielmehr aus dem Gewicht von Jahren, die sich aufeinandertürmten und ihn der Erfüllung seines
Schicksals näher brachten. Als Ältester bestand seine Aufgabe darin zu dienen. So sah es die Tradition von Urrytha vor.
Der Zweifel wich allmählich aus ihm, als sie sich den Höhlen näherten. Vok hatte es nicht anders erwartet. Die Stimme der Alten rief ihn, hieß ihn willkommen, und in einer solchen Begrüßung blieb für Zweifel kein Platz. Er bewegte sich wie in einem Traum und fühlte, wie ihn die Harmonie einer Droge gleich durchströmte. Auch weiterhin setzte er einen Fuß vor den anderen, führte seine Begleiter zum zentralen Platz der Siedlung, von dem aus man die Säle der Alten sehen konnte, und dort legten sie Kayla vorsichtig auf einen großen
steinernen Altar.
Die anderen gingen wortlos und ließen nur einen Wächter bei der reglosen Frau zurück. Es galt, bestimmte Dinge zu
sammeln. Die Vorbereitungen mußten so schnell wie möglich getroffen werden – so verlangte es Kaylas Zustand. Es blieb nur wenig Zeit, denn die Stimmen der Alten sangen bereits den Zauber für sie. Das Ritual mußte bald beginnen, um die Frau in den Kokon zu hüllen, der sie ins Leben nach dem Tod trug.
Vok blickte sich um, sah zu den Säulen, die so weit
emporragten, daß ihr oberes Ende verborgen blieb – sie schienen bis zum Himmel zu reichen. Eines Tages, so wußte er, würde er ebenfalls das Firmament berühren. Heute kam Kayla an die Reihe. Einige Sekunden lang stand er völlig starr und stellte sich seinen eigenen Kokon vor, der eine
gebärmutterartige Geborgenheit bot. Er dachte an die
permanente Verbindung mit der Einen Stimme, an die Erhabenheit des Aufsteigens.
Vok seufzte tief, drehte sich um und verschwand ebenso wie die anderen. Die Zeit drängte, und es war schon eine ganze Weile her, seit er zum letzten Mal das Ritual des Wechsels durchgeführt hatte. Ihm durfte kein Fehler unterlaufen, wenn die Zukunft einer Seele auf dem Spiel stand – immerhin sahen die übrigen Urrythaner eine Art Heilige in Kayla.
Die fremde Frau blieb auf dem Platz zurück und blickte zum wolkenverhangenen Himmel empor. Wenn sie sich ihrer
Umgebung bewußt war, so gab sie das nicht zu erkennen. Ein unerschütterliches Lächeln lag auf ihren Lippen, und sie atmete gleichmäßig, wenn auch noch flacher und langsamer als vor ihrer Entführung.
Janeway erwachte, als eine Stimme aus dem kleinen
Lautsprecher des Insignienkommunikators drang.
»Voyager an Janeway.«
Aus einem Reflex heraus klopfte sie auf das kleine Gerät.
»Hier Janeway. Was ist los?« Während sie die Ohren spitzte, wanderte ihr Blick durchs Lager. War sie während ihrer Wache eingeschlafen?
»Ich bin mir nicht sicher, Captain«, sagte Torres. »Ich habe die Scanner rekonfiguriert und verschiedene
Sondierungsmethoden kombiniert, um den Schirm zu
durchdringen, der die Urrythaner vor Entdeckung schützt. Vor einer Weile habe ich eine seltsame Variation bei den
Biosignalen der Lebenskraft bemerkt.
Sie schien im Bereich Ihres Lagers stärker zu werden, um anschließend zur vorherigen Gleichförmigkeit zurückzukehren.
Die Veränderung erschien als eine geringfügige Fluktuation, so wie bei einem Signal, das zwar Teil eines größeren Ganzen darstellt, aber nicht vollständig synchron damit ist. Ohne eine genaue Strukturanalyse hätte ich die Fluktuation vielleicht gar nicht bemerkt.«
»Kommen wir dadurch irgendwie weiter?«
»Ich weiß es nicht, Captain. Wie dem auch sei: Ich habe mir noch einmal die Aufzeichnungen der früheren Sondierungen vorgenommen, bei denen wir vor allem nach den Urrythanern Ausschau hielten. Bei Ihrer gestrigen Begegnung mit den Fremden kam es zu einer ähnlichen Fluktuation.«
»Verstehe. Janeway Ende.«
Die Kommandantin setzte sich auf, und einmal mehr glitt ihr Blick durchs Lager. Erneut warf sie sich Mangel an
Wachsamkeit vor, aber zum Glück schien sich nichts verändert zu haben. Die anderen schliefen nach wie vor. Fähnrich Fowler war für den gleichen Wachdienst eingeteilt worden und lehnte unweit des Gartenzugangs an einem Baum. Janeway seufzte erleichtert. Selbst wenn sie eingeschlafen war – jemand anders hatte die ganze Zeit über aufgepaßt.
Sie beschloß, aufzustehen und einen Rundgang zu machen.
Die Art und Weise, wie sich Vok und seine Begleiter bei ihrer letzten Begegnung verhalten hatten, erfüllte Janeway mit Unruhe. Erneut überlegte sie, ob sie sich alles nur einbildete.
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