Puppen
anderen Säulen reagierten wie Dominosteine und fielen ebenfalls, eine nach der anderen.
Mit jedem Fall wuchs die Eine Stimme und fand noch mehr Kraft, wodurch weitere Säulen barsten. Die Stimmen der Alten glitten aus dem zerbrechenden Stein und sprangen dem
wolkenverhangenen Himmel entgegen.
Die Bewegung war ebenso unaufhaltsam wie eine Flutwelle, so unvermeidlich wie der Wind. Jahrtausende waren
verstrichen, und nun vervollständigte sich der Zyklus, begann von neuem. Was einst gewesen war, fand zu einer neuen
Existenz. Was man zur Ruhe gebettet hatte, erhob sich nun und flog empor. Das Erwachen fand statt.
Tuvok und Ban standen noch immer nebeneinander, stützten sich gegenseitig und beobachteten das Geschehen. Noch zeigte sich nichts, aber sie wußten, daß es nur eine Frage der Zeit war. Kadenz und Lautstärke der Geräusche hatten enorm
zugenommen und strömten wie etwas Substantielles über die Oberfläche des Planeten. Nichts konnte so laut und mächtig sein, ohne daß irgend etwas sichtbar wurde. Tuvok und Ban warteten, obgleich nicht auszuschließen war, daß eine
Urgewalt sie einfach fortfegte.
Die Vibrationen hatten inzwischen solche Ausmaße
angenommen, daß die steinernen Gebäude der Siedlung zu Staub zerfielen. Das große Beben schien zu Ende zu sein. Jetzt zog summende, prickelnde Energie über den Planeten und gewann immer mehr an Intensität. Was zuvor eine
unregelmäßige Aktivität gewesen war, metamorphierte nun zu einer kontinuierlichen Lebhaftigkeit, die ein sonderbares Zittern in Tuvoks Knochen verursachte.
Er spürte, wie das fremde Etwas über ihn hinwegstrich und durch ihn glitt. Er war nicht eins mit der Einen Stimme, aber er fühlte doch ihre Resonanzen in seinem Innern, nahm sie als eine Art elektrische Harmonie in seinem Selbst wahr. Tuvok empfand diese Erfahrung als außerordentlich eindrucksvoll. Er hätte sie selbst dann nicht ignorieren können, wenn direkt unter ihm ein weiterer Spalt im Boden entstanden wäre. Die Präsenz der Lebenskraft kündete von Perfektion und vermittelte eine Begeisterung, die selbst das rationale, logische Ich des Vulkaniers erfaßte.
Das Geräusch schwoll zu einer akustischen Lawine an, wurde noch lauter, und in der Ferne, im Bereich der ehemaligen Gärten und Parks, ließ sich nun etwas erkennen. Große
Staubwolken bildeten sich dort und stiegen auf. Sie wirkten wie das Ergebnis von Explosionen: dichte Wolken, die sich am Horizont symmetrisch aneinanderreihten.
Wenige Sekunden später erkannte Tuvok, daß jene Wolken näher kamen, zusammen mit der akustischen Lawine. Wie
hypnotisiert wartete er zusammen mit Ban. Er fand die
Ereignisse seltsam, sogar unlogisch. Wolken waren ein
Produkt der Natur und reihten sich nicht am Horizont auf.
Planeten explodierten nicht einfach so.
Vok erhob sich langsam und stand auf dem steinernen Altar, schwankte dabei von einer Seite zur anderen. Um ihn herum lagen die gelben Blumen, auf denen Kayla bis vor kurzer Zeit geruht hatte. Der Älteste streckte die Arme dem
heranrückenden Wahnsinn entgegen, und in seinen Augen
irrlichterte es. Das lange, schmale Gesicht zeigte nun keinen Kummer mehr, sondern die innigste, umfassendste Ekstase, die Tuvok je gesehen hatte. Der alte Urrythaner tanzte auf dem Altar, erweckte dabei den Eindruck, praktisch jederzeit fallen zu können. Doch er blieb auf den Beinen, trotzte sowohl den Vibrationen als auch der eigenen Schwäche.
Tuvok wandte sich von Vok ab und sah fasziniert zu den Wolken am Horizont. Hier und dort lichteten sich die
Staubschleier, während sie an anderen Stellen erst entstanden.
Der Anblick erinnerte an ein riesiges Kaleidoskop. Etwas anderes fiel dem Vulkanier auf: Bunte Blitze flackerten in den Wolken, wiederholten sich immer öfter und wuchsen dabei über den Himmel.
Er beobachtete und wagte kaum zu atmen, war ganz und gar auf das Geschehen konzentriert. Gefühle regten sich in ihm, Empfindungen jenseits von Rationalität und Logik, Emotionen, die von Befreiung und Freiheit kündeten. Dieses Fühlen stammte nicht von ihm, aber es erstaunte den Vulkanier zutiefst und blieb deshalb nicht ohne Wirkung auf ihn. Etwas kommunizierte mit Tuvok, vermittelte ihm Eindrücke von Hoffnung, Frohsinn und überaus intensiver Lebensfreude. Die Mauern seiner Selbstbeherrschung zerbröckelten. Über viele Jahre hinweg hatte Tuvok gelernt, seine Gefühle zu
unterdrücken und allein den Weg der Logik zu beschreiten.
Jetzt schienen jene Bemühungen neben der
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