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Puppen

Puppen

Titel: Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Niall Wilson
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überwältigenden Schönheit reiner Emotion zu Bedeutungslosigkeit zu
    verblassen. Er spürte, wie ihm Tränen über die Wangen
    rannen, doch er wischte sie nicht fort. Der Vulkanier
    beobachtete, lauschte und erlebte. Er verstand nicht und versuchte es auch gar nicht. Derzeit genügte es völlig, einfach nur dazusein und Zeuge dieses großartigen Ereignisses zu werden. Wenn er die aktuellen Geschehnisse überlebte, gab es noch Zeit genug, darüber nachzudenken, um einen Sinn in ihnen zu erkennen.
    Als das Shuttle in die Atmosphäre zurückkehrte, wußte Paris sofort, daß sie einen Fehler gemacht hatten. Das kleine Raumschiff erzitterte so heftig, daß es fast außer Kontrolle geriet, und der Pilot bemühte sich, die Fluglage zu
    stabilisieren. Etwas geschah auf dem Planeten, etwas, das enorm viel Energie freisetzte. Sie knisterte überall in der Luft und umhüllte alles, schuf eine Aura freudiger Erwartung. Die Interferenzen ließen sich noch immer nicht von den
    Sondierungssignalen durchdringen, und mit den Anzeigen der Bordinstrumente ließ sich kaum etwas anfangen – in den Displays erschienen entweder völlig unsinnige Werte oder gar keine. Sie mußten blind fliegen, näherten sich der Oberfläche durch eine dichte Wolkendecke. Als sie den Planeten zuvor verlassen hatten, war sie nicht so dicht gewesen. Nervös begriff Paris, daß er überhaupt nicht wußte, welche Entfernung sie noch vom Boden trennte. Durchs Fenster blickte er nach draußen und hoffte auf eine Lücke zwischen den Wolken.
    Kes saß steif neben ihm und starrte geradeaus. Zuerst glaubte Paris, in ihrer Haltung so etwas wie Furcht zu erkennen, was er unter den besonderen Umständen nicht weiter verwunderlich fand. Selbst der beste Pilot sah gern, wohin er flog.
    Andererseits: Kes neigte nicht dazu, von Angst regelrecht gelähmt zu werden. Paris konnte keine Zeit dafür erübrigen, ihr Trost zuzusprechen; das mußte er bis nach der Landung verschieben. Falls sie überhaupt gelang.
    Die Außenhülle des Shuttles begann zu vibrieren und
    reagierte damit auf eine Kraft, die Paris nicht zu identifizieren vermochte. Draußen donnerte und grollte es. Ganz gleich, was der Pilot auch versuchte: Er war nicht imstande, ihre Position festzustellen. Er gewann den seltsamen Eindruck, nicht durch Luft zu fliegen, sondern durch Wasser: Das Shuttle wurde von verschiedenen Strömungen erfaßt, immer wieder hin und her geworfen. Paris betätigte Schaltflächen und bemühte sich nach wie vor um einen kontrollierten Flug.
    »Kes!« brachte er hervor. Er mußte fast schreien, um sich im Tosen um sie herum verständlich zu machen.
    Die Ocampa antwortete nicht. Paris nahm eine Hand fort von den Schaltelementen und riskierte dadurch, völlig die
    Kontrolle übers Shuttle zu verlieren. Er rüttelte die junge Frau kurz an der Schulter. »Kes!« rief er erneut und noch lauter.
    Sie wandte sich ihm langsam zu, und ein verträumter
    Ausdruck zeigte sich in ihrem Gesicht. Zwar sah sie Paris, aber gleichzeitig wurde klar, daß sie ihn gar nicht richtig zur Kenntnis nahm. Etwas lenkte sie ab. Die Ocampa öffnete den Mund, um eine Antwort zu geben, aber welche Worte sie auch formulieren wollte – sie kamen ihr nicht über die Lippen. Mit halb geöffnetem Mund blieb sie stumm und starrte auch
    weiterhin, ohne einen Ton von sich zu geben.
    Zwar hatte sie auf seine Präsenz reagiert, aber Paris war ziemlich sicher, daß sie ihn gar nicht sah. Etwas passierte, etwas, das Kes mit ihren besonderen Sinnen wahrnahm.
    Vielleicht übte jenes Etwas einen Einfluß auf sie aus, von dem sie sich nicht befreien konnte. Was auch immer während der nächsten Sekunden und Minuten geschehen mochte: Es würde ihr Schicksal bestimmen.
    Alles deutete darauf hin, daß Paris einmal mehr auf sich allein gestellt war.
    Er konzentrierte seine Aufmerksamkeit wieder auf die
    Kontrollen, und der Bildschirm zeigte ihm die erhoffte Lücke zwischen den Wolken. Für eine halbe Sekunde sah er die Oberfläche des Planeten, und dann verdichteten sich die grauen Schleier wieder. Blitze zuckten irgendwo, wirkten wie das Licht einer Stroboskoplampe. Paris atmete auf –
    wenigstens hatte er jetzt eine ungefähre Vorstellung davon, wo sie sich befanden.
    Das Shuttle setzte den Flug durch die Wolken fort.
    Plötzlich raste etwas von Urrythas Oberfläche aus nach oben und stieß das kleine Raumschiff abrupt beiseite. Paris rang mit den Kontrollen, und irgendwie gelang es ihm, das Shuttle wieder zu stabilisieren –

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