Puppen
nicht in der Lage, sich zu befreien!« entfuhr es Ban.
»Wie sollen sie mit dem Langen Schlaf beginnen, wenn sie dort sitzen und singen, bis sie sterben?«
»Keine Sorge.« Vok legte dem jüngere Urrythaner die Hand auf die Schulter. »Wenn es zum Erwachen kommt, kehren sie zurück. Erinnern Sie sich nicht an die Legenden? Wenn die Alten zu ihrem neuen Anfang aufsteigen, wird die Eine Stimme auf dieser Welt schwächer. Die Aufgabe jener, die nach uns kommen, besteht darin, ihre ursprüngliche Kraft
wiederherzustellen. Wenn die Loslösung der Alten stattfindet, hört die Bindung der Sänger auf.«
»Mag sein«, sagte Tuvok. »Aber wenn der Boden unter ihnen nachgibt, stürzen sie zu Tode und bekommen nie Gelegenheit, zu einer anderen Existenzebene aufzusteigen. Können wir ihnen nicht irgendwie helfen?«
Vok blickte zu den Singenden hinab und schien erst jetzt an die physischen Gefahren des aktuellen Geschehens zu denken.
»Ich…« Der Älteste zögerte kurz. »Ban, wir müssen sie zur Haupthöhle bringen.«
»Ist es klug, sich während eines Bebens unter der Oberfläche des Planeten aufzuhalten?«
»Die Haupthöhle ist vermutlich der einzige stabile Ort auf ganz Urrytha«, erwiderte Vok. »Ihr steinernes Fundament reicht tief ins Innere des Planeten hinab, ist massiv und unerschütterlich. Auf der Oberfläche sind Berge entstanden und wieder zu Staub zerfallen, doch die Haupthöhle blieb davon unberührt und hat sich nie verändert. Sie wird uns Schutz gewähren.«
Ban nickte. Angesichts der Länge seiner Gliedmaßen sprang er mit einer erstaunlich anmutigen Bewegung auf und rief die Urrythaner, die sich halb in den Schatten der Siedlung verbargen. Sie reagierten sofort auf seine Worte, als hätten sie nur darauf gewartet, daß er wieder Verantwortung übernahm.
Außerdem wußten sie bereits, welchen Ort es aufzusuchen galt.
Ban packte einen der Sänger unter den Armen und eilte los, trug und zog den Urrythaner zum Zugang des Haupttunnels.
Die Entfernung betrug zweihundert Meter. Angesichts der Erschütterungen und vielen Risse im Boden, denen es
auszuweichen galt, kam er nicht schnell voran.
Tuvok ergriff einen zweiten Sänger, und die Urrythaner um ihn herum folgten seinem und Bans Beispiel. Sie kümmerten sich um ihre in Trance gefangenen Artgenossen und strebten dann dem Tunnel entgegen. Der Vulkanier versuchte, ebenso schnell zu sein, aber die große Gestalt des Sängers behinderte ihn mehr, als er zunächst angenommen hatte. Hinzu kamen Erschöpfung und ein immer noch bohrender Kopfschmerz. Er verdrängte alles Belastende und konzentrierte sich allein auf das Ziel. Mit Hilfe der anderen dauerte es real nur wenige Minuten, um die Sänger in Sicherheit zu bringen, doch es schienen Stunden zu sein. Jeder einzelne Schritt erforderte große Anstrengung, und als Tuvok den Tunnelzugang
erreichte, drehte er sich noch einmal um und sah zurück.
Vok war der einzige, der sich ihnen nicht angeschlossen hatte. Er kniete jetzt auf dem steinernen Altar und sah erwartungsvoll gen Himmel. Ban stapfte bereits dem Ältesten entgegen, und der Vulkanier setzte sich ebenfalls in
Bewegung, ohne seine Reaktion erklären zu können. Er wußte nicht, ob Ban Vok ebenfalls zum Tunnel tragen wollte. Oder ging es ihm darum, dem alten Urrythaner in diesen letzten Momenten nahe zu sein? Was auch immer der Fall sein
mochte: Nach allem, was sie gemeinsam erlebt hatten, hielt Tuvok es für angemessen, ebenfalls zugegen zu sein – um zu beenden, was sie begonnen hatten.
Was auch immer der Grund dafür sein mochte, daß sich der ganze Planet regelrecht schüttelte: Die Erschütterungen wurden noch heftiger. Alles deutete darauf hin, daß etwas Bedeutendes bevorstand, und Tuvok wollte wissen, worum es sich dabei handelte. Er glaubte sein Leben in Gefahr, und alles in ihm drängte danach, den Grund dafür zu erfahren. Ganz gleich, was auch geschah: Er wollte an den Ereignissen teilnehmen oder sie zumindest beobachten. Die Eine Stimme rief auch für ihn, und er reagierte darauf. Die Furcht verschwand.
Er besann sich auch auf einen logischen Aspekt. Sicher suchte die Voyager nach ihm, und wenn es ihren Sondierungssignalen tatsächlich gelang, die Interferenzen zu durchdringen, so konnten sie ihn nur auf der Oberfläche des Planeten erfassen, im Freien. Der Altar befand sich im größten noch zugänglichen Bereich des Dorfes.
Inzwischen waren die Gebäude der Siedlung zumindest
teilweise eingestürzt. Tuvok begriff nun, was in
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