Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Puppenmord

Titel: Puppenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
Vom Netzwerk:
vielmehr, weil er in Sexualdingen ein Verfechter des Prinzips der Nicht-Einmischung war. Gott hatte seiner Meinung nach eine vollkommene Welt geschaffen, wenn der Schöpfungsgeschichte zu glauben war, und seitdem war es unentwegt bergab gegangen. Und der Schöpfungsgeschichte mußte man einfach glauben, oder die ganze Bibel ergab keinen Sinn. Von dieser dogmatischen Voraussetzung war Hochwürden St. John Froude auf verschlungenen Pfaden über Blake, Hawker, Leavis und eine Anzahl fortschrittsfeindlicher Theologen zu der Überzeugung gelangt, die Wunder der modernen Wissenschaft seien Werke des Teufels, die Erlösung sei im Verzicht auf jeden materiellen Fortschritt seit der Renaissance oder auch schon früher zu suchen, und die Natur sei unendlich viel weniger zerstörerisch als der moderne motorisierte Mensch. Kurz, er war überzeugt, das Ende der Welt in Gestalt einer atomaren Götterdämmung sei nahe, und seine Pflicht als Christ sei es, dieses zu verkünden. Seine Predigten über dieses Thema waren von einer so anschaulich das Grauen ausmalenden Inbrunst gewesen, daß sie zu seiner Verbannung nach Waterswick geführt hatten. Als er jetzt den Flußarm hinauf ins Aalfleet ruderte, wetterte er im stillen gegen Empfängnisverhütung und Abtreibung und die Übel sexueller Lotterwirtschaft. Sie alle waren Anzeichen und Ursachen und ursächliche Anzeichen des moralischen Tohuwabohus, zu dem sich das Leben auf der Erde entwickelt hatte. Und schließlich gab es noch die Ausflügler. Hochwürden St. John Froude konnte Ausflügler nicht riechen. Sie verdreckten den kleinen Garten Eden seiner Pfarre mit ihren Booten, ihren Transistorradios und ihrer schamlosen Daseinsfreude. Und Ausflügler, die den Blick aus dem Fenster seines Arbeitszimmers mit aufgeblasenen Präservativen und sinnlosen Botschaffen schändeten, waren ein Greuel. Als er schließlich das Kajütboot zu Gesicht bekam, war er nicht gerade zu Spaßen aufgelegt. Er ruderte wütend zu der Jacht rüber, machte sein Boot an der Reling fest, raffte die Soutane bis zu den Knien und stieg an Bord.
    In der Kajüte starrte Sally auf die Badekappe hinunter. Sie blähte sich auf, fiel wieder zusammen, dehnte sich aus und saugte sich an Gaskells Gesicht fest, und Sally bog sich vor Vergnügen. Sie war die befreiteste Frau der Welt, aber die al-lerbefreiteste. Gaskell kratzte ab, und sie wäre frei und hätte eine Million Dollar in ihrem Kätzchen. Und niemand käme je dahinter. Sobald er tot war, nähme sie die Kappe ab, bände ihn los und stieße seine Leiche ins Wasser. Und Gaskell Pringsheim wäre eines ganz natürlichen Todes durch Ertrinken gestorben. In diesem Augenbh'ck wurde die Kajütentür geöffnet, und sie blickte hoch auf die Silhouette von Hochwürden St. John Froude.
    »Was, zum Teufel. . .« murmelte sie und sprang von Gaskell herunter.
    Hochwürden St. John Froude zögerte. Er war hergekommen, um seine Meinung zu sagen, und sagen würde er sie, aber er hatte offenbar eine ziemlich nackte Frau mit entsetzlich geschminktem Gesicht beim Koitus mit einem Mann gestört, der, soweit er das bei einem flüchtigen Blick sagen konnte, überhaupt kein Gesicht hatte.
    »Ich . ..«, begann er und umerbrach sich. Der Mann war aus der Koje auf den Fußboden gerollt und wälzte sich da auf sehr seltsame Weise. Hochwürden St. John Froude starrte entsetzt auf ihn hinunter. Der Mann war nicht nur gesichtslos, seine Hände waren auch auf den Rücken gebunden.
    »Mein lieber Freund«, sagte der Pfarrer, den der Anblick erschreckte, und sah nach einer Erklärung suchend zu der Frau auf. Sie starrte ihn, ein großes Küchenmesser in der Hand, wie besessen an. Hochwürden St. John Froude stolperte zurück in das Cockpit, als die Frau, das Messer mit beiden Händen vor sich haltend, auf ihn zuging. Sie war unver kennbar völlig irre. Und der Mann auch. Er rollte auf dem Fußboden herum und schleifte seinen Kopf hin und her. Die Badekappe löste sich, aber Hochwürden St. John Froude hatte zuviel damit zu tun, über die Reling in sein Ruderboot zu klettern, um es zu bemerken. Er stieß ab, als die gräßliche Frau auf ihn zustürzte, und ruderte davon, seinen ursprünglichen Vorsatz hatte er vollkommen vergessen. Sally stand im Cockpit und schrie ihm Schimpfworte nach, aber hinter ihr war in der Kajütentür eine Gestalt aufgetaucht. Der Pfarrer sah mit Dankbarkeit, daß der Mann jetzt ein Gesicht hatte, kein hübsches Gesicht, ein ausgesprochen grauenerregendes Gesicht, aber

Weitere Kostenlose Bücher