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Puppenmord

Titel: Puppenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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wenigstens ein Gesicht, und er kam hinter der Frau in irgendeiner gräßlichen Absicht näher. Im nächsten Augenblick wurde die Absicht in die Tat umgesetzt. Der Mann stürzte sich auf die Frau, das Messer fiel aufs Deck, die Frau schlidderte am Bootsrand lang und rutschte dann kopfüber ins Wasser. Hochwürden St. John Froude wartete keine Sekunde länger. Er ruderte aus Leibeskräften davon. Ganz gleich, bei was für einer widerlichen Orgie sexueller Verirrung er gestört hatte, er wollte nichts damit zu tun haben, und angemalte Frauen mit Messern, die ihn einen beschissenen Sohn eines Fotzenleckers und noch anders nannten, konnten bei ihm kein Mitleid erwarten, wenn das Objekt ihrer obszönen Begierden sie ins Wasser stieß. Und auf jeden Fall waren es Amerikaner. Hochwürden St. John Froude hatte für Amerikaner keine Zeit. Sie verkörperten all das, was er an der Welt von heute anstößig fand. Von neuem von Ekel am Dasein und dem Drang zur Whiskyflasche geschüttelt, ruderte er heim und machte das Boot am Fuße des Gartens fest.
    Im Kajütboot hörte Gaskell auf zu schreien. Der Priester, der ihm das Leben gerettet hatte, war seinen heiseren Rufen nach weiterer Hilfe gegenüber taub gewesen, und Sally stand bis zum Bauch im Wasser neben dem Boot. Na, da konnte sie ruhig bleiben. Er ging in die Kajüte zurück, drehte sich so, daß er die Tür mit seinen zusammengebundenen Händen abschließen konnte, und sah sich nach etwas um, womit er den Seidenschal durchschneiden konnte. Er hatte immer noch große Angst.
    »Schön«, sagte Inspektor Flint, »und was haben Sie dann gemacht?«
    »Aufgestanden und die Sonntagszeitung gelesen.«
    »Und dann?«
    »Habe ich einen Teller Müsli gegessen und eine Tasse Tee getrunken.«
    »Tee? Sind Sie sicher, daß es Tee war? Letztes Mal haben Sie Kaffee gesagt.«
    »Wann?«
    »Als Sie es das letzte Mal erzählten.«
    »Ich habe Tee getrunken.«
    »Und dann?«
    »Habe ich Clem sein Frühstück gegeben.«
    »Was?«
    »Chappie.«
    »Letztes Mal haben Sie Bonzo gesagt.«
    »Dieses Mal sage ich Chappie.«
    »Entscheiden Sie sich. Was war es?«
    »Verflucht nochmal, wen interessiert denn, was es war?«
    »Mich interessiert's.«
    »Chappie.«
    »Und als Sie den Hund gefüttert hatten?«
    »Habe ich mich rasiert.«
    »Letztes Mal haben Sie gesagt, Sie hätten gebadet.«
    »Ich habe gebadet und mich dann rasiert. Ich wollte Zeit sparen.«
    »Vergessen Sie die Zeit, Wilt, für uns ist es nie zu spät.«
    »Wie spät ist es?«
    »Halten Sie den Mund. Was haben Sie dann gemacht?«
    »O du lieber Himmel, was soll das? Welchen Sinn soll das haben, immer und immer wieder dieselben Sachen durchzukauen?« »Halten Sie den Mund.«
    »Gut«, sagte Wilt, »mach ich.«
    »Was haben Sie gemacht, als Sie sich rasiert hatten?«
    Wilt starrte ihn an und sagte nichts.
    »Und als Sie sich rasiert hatten?«
    Aber Wilt blieb stumm. Schließlich ging der Inspektor aus dem Zimmer und schickte nach Sergeant Yates.
    »Er will nicht singen«, sagte er müde. »Was machen wir jetzt?«
    »Es mit ein bißchen körperlicher Überredung versuchen?«
    Flint schüttelte den Kopf. »Gosdyke hat ihn gesehen. Wenn er am Montag vor Gericht erscheint, und ihm ist auch nur ein einziges Haar gekrümmt, kommt der uns wegen Gefangenenmißhandlung aufs Dach. Es muß 'ne andere Möglichkeit geben. Irgendwo muß er doch einen schwachen Punkt haben, aber ich will verdammt sein, wenn ich den nicht finde. Wie macht er das bloß?«
    »Was?«
    »Zu reden und reden und nichts zu sagen. Nicht ein verfluchtes brauchbares Wort. Der Kerl hat zu jedem Thema unter Gottes heißer Sonne mehr zu sagen, als ich Haare auf dem Kopf habe.«
    »Wenn wir ihn nochmal achtundvierzig Stunden wachhalten, bricht er todsicher zusammen.«
    »Und ich gleich mit«, sagte Flint. »Wir gehen beide in Zwangsjacken vor Gericht.«
    Im Vernehmungsraum legte Wilt den Kopf auf den Tisch. In einer Minute wären sie wieder da und fragten weiter, aber eine Sekunde Schlaf war besser als keiner. Schlaf. Wenn sie ihn doch bloß schlafen ließen. Was hatte Flint gesagt? »Sobald Sie ein Geständnis unterschreiben, können Sie schlafen, soviel Sie wollen.« Wilt dachte über diese Bemerkung und ihre Möglichkeiten nach. Ein Geständnis. Aber es müßte so plausibel sein, daß es sie in Atem hielt, während er ein bißchen Schlaf bekam, und zugleich so undenkbar, daß es vom Gericht zu rückgewiesen würde. Ein Verzögerungsgeplänkel, das Eva Zeit gab, zurückzukommen und

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