Puppenrache
Troy, du musst ein bisschen langsamer rauchen, dein Vorrat geht aus. Und du willst doch gute Laune haben, wenn du ankommst, oder?« Er drückte den Zigarettenstummel im überquellenden Autoaschenbecher aus.
Noch hundertachtzig Kilometer bis Sydney. Da sitzt man sich ja den Scheißhintern platt! Aber immerhin würde er gleich ein bisschen Spaß haben, wenn er dem Goldjungen einen Besuch abstattete!
Und was, wenn sie ihren Typen nicht angerufen hat? Wenn unser Goldjunge keinen blassen Schimmer hat, wo sie ist?
»Das wäre Scheiße. Allerdings. Hm.« Irgendjemandem wird diese verfluchte Schlampe ja wohl gesagt haben, wohin sie abgehauen ist. Noch zwei Stunden bis Sydney.
Fast elf Stunden war er von Sydney nach Brisbane unterwegs gewesen. Stephen sah auf die Uhr in seinem Bus und unterdrückte ein Gähnen. Er war in einem seltsamen Zustand. Einerseits todmüde, andererseits angespannt und unruhig. Was, wenn Nora Cummings aus irgendeinem Grund nicht zur Arbeit kam? Oder wenn sie absolut nichts mit Sara zu tun hatte? Oder… oder wenn Nora Cummings ihm etwas erzählen würde, das er nie wieder vergessen würde, weil es so schrecklich war?
»Hör auf mit dem Mist!«, sagte er zu sich. Er war die weite Strecke nicht umsonst gefahren. »Du gehst jetzt gleich da rein und Ende!«
Er stieg aus, wartete noch, bis die Schulglocke läutete, dann folgte er den letzten Schülern, die ins Gebäude trotteten. Er warf einen Blick auf die Tafel mit dem Lageplan und wusste, dass sich das Büro von Nora Cummings gleich im Erdgeschoss befinden musste, im rechten Gang hinter der dritten Tür.
Die Tür stand einen Spaltbreit geöffnet, aber er sah nur einen Teil des Schreibtischs und ein paar Hände, die eine Akte durchblätterten. Würde Nora Cummings so aussehen wie »Mom« auf dem Foto? Dunkles, kurzes Haar, mit offenen, fröhlichen Augen? Er klopfte.
»Ist offen«, kam es von drinnen. War das die Stimme vom Telefon? Stephen zog die Tür auf.
Die Frau, die ihm entgegenblickte, hatte blondes, schulterlanges Haar, einen bitteren Zug um den Mund und die Augen hinter der dunkel umrahmten Brille wirkten müde.
»Äh…« Er hatte sich geirrt. Das konnte nicht die Frau von dem Foto sein.
»Kann ich Ihnen helfen?«
Selbst die Stimme kam ihm jetzt fremd vor. »Ich wollte zu… Mrs Cummings.«
»Die bin ich.« Ein dünnes Lächeln huschte über ihr Gesicht.
»Ich glaube… wir haben telefoniert.«
»Ja?«
Von Sekunde zu Sekunde wurde er unsicherer. Aber nun war er schon einmal hier. »Wegen…« Er setzte sich auf den Besucherstuhl vor dem Schreibtisch und zog das Foto aus der Tasche, legte es vor sie. Patricia und Mom.
Nora Cummings blickt darauf und erstarrte. »Was wollen Sie?«, fragte sie mit tonloser Stimme. Plötzlich sah sie viel älter aus.
Mom, also doch, dachte er, rutschte auf dem Stuhl herum, räusperte sich und rückte dann mit der Sprache raus.
»Ich bin Stephen. Sara war mit mir über ein Jahr zusammen. Jetzt hab ich dieses Foto gefunden. Ich will wissen, ob Sara Patricia ist. Und ob das alles mit diesem Typen zusammenhängt, der aus dem Gefängnis ausgebrochen ist.«
Nora Cummings betrachtete das Foto, ohne etwas zu sagen. Ihr Finger berührte vorsichtig die abgebildeten Gesichter. Stephen bemerkte, wie ihre Augen glasig wurden.
»Sie hätte es nicht mitnehmen dürfen«, sagte sie leise.
»Das Foto?«, fragte Stephen.
Nora Cummings schwieg. Schließlich sah sie auf. »Wieso sollte ich Ihnen vertrauen?«
Stephen schluckte. Diese Frau hatte genauso viel Angst wie Sara. »Ich liebe Sara. Ich will sie zurückholen.«
Ein müdes Lächeln flog über ihr blass gewordenes Gesicht. »Ach…« Sie schüttelte den Kopf und seufzte. »Es war ein Fehler zu telefonieren. Das hätte ich wissen müssen. Es war zu gefährlich.«
»Was meinen Sie?« Stephen begriff nicht.
Das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte. Sie sah kurz dorthin, nahm aber nicht ab, schließlich verstummte es.
»Hören Sie, ich weiß, dass ein Typ namens Troy ihr etwas Schlimmes angetan hat. Er ist aus dem Gefängnis ausgebrochen und hinter ihr her. Aber ich lasse nicht zu, dass dieser Typ unser Leben kaputt macht!«
Ein mitleidiges Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht. »Das haben wir uns auch eingeredet. Er schafft es nicht, uns auseinanderzubringen, unser Leben zu zerstören. Das haben wir uns immer wieder gesagt.« Sie seufzte »Aber wir konnten es nicht verhindern. Genauso wenig wie Sie, Stephen.«
»Ich geb nicht so schnell
Weitere Kostenlose Bücher