Puppenspiel - Inspektor Rebus 12
trotzdem nie ganz verstehen«, sagte er.
Siobhan wiederholte ihre Frage, und er schien aus einer mittleren Trance zu erwachen.
»Nein, es geht dabei um alte Sachen: zum Beispiel Zahlenmystik... oder Rollenspiele als Ritter oder Zauberlehrling und so was.« Er blickte sie an. »Wir reden hier über die virtuelle Welt. Und in der Welt kann Ihr Quizmaster sich beliebig viele Namen zulegen.«
»Ohne dass man ihn ausfindig machen kann?«
Gandalf zuckte mit den Achseln. »Na ja, wenn Sie die CIA oder das FBI um Amtshilfe bitten, vielleicht...«
Er stand verlegen vor ihr und trat von einem Fuß auf den anderen. »Und dann hab ich noch etwas erfahren.«
»Was denn?«
Er zog ein Stück Papier aus der Gesäßtasche und gab es Siobhan, die es auseinander faltete. Ein drei Jahre alter Zeitungsausschnitt. Der Bericht handelte von einem Studenten, der aus seinem Heimatort in Deutschland verschwunden war. Ferner war darin von einem einsamen Hügel im Norden Schottlands die Rede. Irgendwer hatte auf dieser Anhöhe eine Leiche gefunden, die dort wochen- oder gar monatelang unentdeckt gelegen haben musste. Allerdings hatte sich die Identifizierung als schwierig erwiesen, weil von dem Körper außer Haut und Knochen kaum noch etwas übrig gewesen war. Doch dann hatten die Eltern des deutschen Studenten auch Großbritannien in die Suche nach ihrem Sohn einbezogen, und sie waren schließlich zu der festen
Überzeugung gelangt, dass es sich bei der Leiche auf dem Hügel um ihren Sohn Jürgen handeln musste. Sechs, sieben Meter von der Leiche entfernt hatte man einen Revolver gefunden. Eine einzelne Kugel war in den Schädel des jungen Mannes eingedrungen. Die Polizei stufte den Fall als Selbstmord ein und erklärte die Lage der Waffe damit, dass vermutlich ein Schaf oder ein anderes Tier den Revolver verschleppt hatte. Nicht unplausibel, musste Siobhan einräumen. Doch die Eltern hatten darauf beharrt, dass ihr Sohn einem Mord zum Opfer gefallen sein musste. Die Waffe stammte nicht aus seinem Besitz, und ihre Herkunft ließ sich nicht mehr feststellen. Die entscheidende Frage hatte allerdings gelautet: Wieso hatte das Leben des Jungen ausgerechnet in den schottischen Highlands sein Ende gefunden? Allerdings schien niemand darauf eine Antwort zu wissen. Siobhan legte die Stirn in Falten und las abermals aufmerksam den letzten Absatz:
Angeblich war Jürgen ganz versessen auf Rollenspiele und konnte stundenlang im Internet surfen. Seine Eltern halten es für denkbar, dass ihr Sohn sich auf ein Spiel eingelassen hatte, das einen tragischen Ausgang genommen hat.
Siobhan hielt den Ausschnitt vor sich in die Luft. »Ist das alles, was Sie haben?«
Er nickte. »Nur diese eine Meldung.«
»Und wo haben Sie die her?«
»Von einem Beamten.« Er hob die Hand. »Und der möchte den Ausschnitt zurückhaben.«
»Wieso?«
»Weil er gerade an einem Buch über die Gefahren des E - Universums arbeitet. Außerdem würde er sich gerne mal mit Ihnen unterhalten.«
»Vielleicht später mal.« Siobhan legte das Papier wieder zusammen, machte aber keinerlei Anstalten, es zurückzugeben. »Ich muss diesen Bericht behalten, Gandalf. Ihr Freund kann «in zurückhaben, sobald ich ihn nicht mehr brauche.«
Gandalf sah sie enttäuscht an, als ob sie sich nicht an ihren Teil der Vereinbarung gehalten hätte.
»Ich verspreche Ihnen, dass er den Bericht zurückbekommt, sobald der Fall aufgeklärt ist.«
»Könnten wir ihn nicht wenigstens fotokopieren?«
Siobhan seufzte. Sie hoffte inständig, in rund einer Stunde endlich in der Badewanne zu sitzen und statt des bis dahin favorisierten Weines vielleicht doch lieber einen Gin-Tonic zu schlürfen. »Na gut«, sagte sie. »Kommen Sie mit aufs Revier, dann...«
»Es gibt hier im Laden ein Kopiergerät.« Er wies in die Ecke, in der der Besitzer saß.
»Okay, Sie haben gewonnen.«
Gandalf strahlte über das ganze Gesicht, als ob sie ihm mit diesen wenigen Worten eine unglaubliche Freude bereitet hätte.
Schließlich verabschiedete sich Siobhan von Gandalf und ging zurück zum Revier, wo Grant Hood gerade ein weiteres Blatt Papier zusammenknüllte und damit genau neben den Papierkorb zielte.
»Was ist denn los?«, fragte sie.
»Ich suche nach Anagrammen.«
»Und?«
»Na ja, wenn die Stadt Bauchory nicht dieses blöde ›h‹ hätte, wäre sie ein Anagramm von a corny b.«
Siobhan brach in Gelächter aus, schlug sich aber die Hand vor den Mund, als sie Grants Blick sah.
»Nein«, sagte er, »lachen
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