Purgatorio
Gesellschaft, wenn Sie Zeit haben. Und lassen Sie den Fernseher laufen. Das kann ihr helfen.
Man nahm Señora Ethel wieder mit nach Hause. Emilia richtete ein Zimmer mit zwei Betten her, fern vom Schlafzimmer des Vaters, und fragte, ob sie einige Zeit bleiben dürfe, um sie zu pflegen. Zur Abendessenszeit schaltete sie den Fernseher ein. Es kam ein Unterhaltungsprogramm mit dem Titel
Ein Abend mit Andrés
. Der Entertainer sang (sehr schlecht), tanzte, erzählte geschmacklose Geschichten, lud andere Sänger ein (die noch schlechter waren) und versprach, im nächsten Programm das Geheimnis des Glücks zu verraten. Alle fünfzehn oder zwanzig Sekunden hörte man einen Lach- und Applauschor vom Band. Emilia sah, dass die Mutter weinte, vollkommen ausdruckslos. Die Tränen flossen wie von allein und netzten ihr das Nachthemd.
Tut dir etwas weh?, fragte Emilia. Soll ich den Arzt rufen?
Diese Sendung ist sehr traurig, antwortete die Mutter. Schau doch, was die armen Leute tun, um aufzufallen.
Ich versteh dich nicht.
Siehst du, wie sie sie gefangen halten? Sie sind verloren im Gefängnis, und um rauszukommen, müssen sie ein Auto an die Wand zeichnen.
Was denn für ein Auto?
Irgendein Auto. Siehst du es nicht? Sie zeichnen es mit Kreide, öffnen die Autotür, steigen ein und verschwinden.
Der Aal erfuhr noch am selben Abend von der Krankheit und kam die Dupuys am Sonntag nach der Messe besuchen.
Mich wird Ethel erkennen, sagte er zu seiner Frau mit den geschwollenen Beinen. Begleitet von einer Eskorte Soldaten, ging er zum großen Haus in der Calle Arenales. Die Predigt des Bischofs während der Messe hatte ein Rätsel offen gelassen. Es hatte mit der Passage in den Evangelien zu tun, in der das Salz nicht mehr salzt. Der Redner schaute ihn von der Kanzel herab fest an: Christus wüsste, was er mit diesem Salz tun müsste. Wir aber – was werden wir tun, um ihm Geschmack zu geben?
Hast du eine Idee, wie man einer Sache Geschmack geben kann, die es nicht mehr gibt?, fragte er seine Frau.
Was weiß denn ich, antwortete sie. Für mich ist klar, dass man ein anderes Salz finden muss.
Sie sagte, die Predigt habe sie deprimiert und sie fühle sich nicht mehr in der Lage, einen Krankenbesuch zu machen. Auch der Präsident hatte keine Lust, aber die Pflicht ging allem anderen vor. Er tat sein Möglichstes, um sich erschüttert zu zeigen, als Dupuy herauskam, um ihn zu begrüßen. Aber die ihn seit Monaten quälenden Tics konnte er nicht unterdrücken: plötzliche, schnelle elektrische Entladungen, die über sein Gesicht zuckten. Er trug einen Zweireiher und hatte dieselbe pappige Brillantinefrisur, mit der er bei seinen Reden auftrat.
Señor Presidente. Dupuy begleitete ihn zu den Schlafgemächern.
Um das Gedächtnis der Kranken aufzufrischen, kündigte eine der Töchter mit lauter Stimme den Eintretenden an, während sie mit glücklichem Ausdruck ins Leere starrte.
Na, Ethel, sagen Sie mir, wer ich bin, sagte der Aal und näherte ihr das parfümierte Gesicht.
Guten Tag, Señor. Vielen Dank, dass Sie gekommen sind.
Sie ließ eins dieser Schweigen eintreten, die sie an einen anderen Ort trugen, und fuhr dann im selben Tonfall, aber mit anderer Stimme fort:
Jetzt spuck mal aus, du Scheißkerl. Hast du Conti die Geschichte schon erzählt? Zieh auf der Stelle Leine, geh und hol dir einen runter.
Der Adjutant, der den Präsidenten begleitete, schickte die Wachsoldaten hinaus. Allmählich wuchs sich die Lautstärke der Mutter zum Schreien aus. Sie verwechselt Sie mit Tito, Señor, entschuldigte Dupuy sie. Das war der Zwillingsbruder, der mit ihr spielte. Schenken Sie ihr keine Beachtung. Verzeihen Sie ihr. Sie ist außer sich.
Tito, du Scheißkerl, man soll dich feste ficken. Man soll dich fies und feste ficken.
Die Stimme wurde immer schriller, als würde sie über ein Stück Blech gezogen. Emilia kam ins Zimmer gestürzt und nahm die Mutter in die Arme.
Lasst sie allein, Papa, bitte. So viele Leute bringen sie durcheinander. Arme Mama, ach, du Ärmste.
Der Präsident schüttelte enttäuscht den Kopf, hakte Dr.Dupuy unter und trat in die Halle hinaus.
Tut mir leid, Dupuy. Ich hätte nicht gedacht, dass es ihr so schlecht geht. Sie hat so einen verlorenen Blick.
Mir tut es leid, was da vor sich geht, Señor. Ich weiß auch nicht, wo sie die ganzen Obszönitäten herhat. Ich kümmere mich um sie, so gut ich kann. Ich werde nicht mehr zulassen, dass man sie besucht. Mich jedenfalls werden diese ganzen
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