Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
selbst.« Erneut drehte er eine Runde um den Brunnen.
» Deshalb werden wir morgen schon in aller Frühe aufbrechen. Es wird eine lange Reise werden, eine sehr lange sogar. Zum Glück plane ich bereits seit einiger Zeit eine Studienreise, es wird also niemanden verwundern, wenn ich mein Vorhaben nun endlich in die Tat umsetze. Ebenso wird sich niemand wundern, wenn du mich begleitest. Jeder weiß, dass ich auf deine Dienste als Schreiberin nicht verzichten kann. Ja, so werden wir es machen. Doch wohin genau uns der Weg führen wird, das erfährst du erst unterwegs, hier haben die Wände Ohren. Nun geh und richte dein Bündel. Danach komm in mein Arbeitszimmer. Trotz der Eile gibt es Verschiedenes vorzubereiten.«
Hastig kritzelte Mirijam etwas in ihr kleines Heft.
» Nicht fort von hier«, stand da. » Zu Hause!«
Sherif Alî el-Mansour las die Worte. » Ich weiß, doch wir haben keine Wahl. Beeil dich, mein Kleines, die Zeit drängt. Geh und schick mir Chekaoui.«
25
In den beiden vergangenen Tagen hatte Chekaoui sie in anstrengenden Märschen zunächst durch die südlichen Sanddünen, dann in einem Bogen durch trockene, steinige Bachbetten geführt, um keine Spuren zu hinterlassen und eventuelle Verfolger abzuschütteln. Inzwischen ging es geradewegs nach Westen. In jeder Pause, aber auch während sie nebeneinanderritten, besprachen sich der alte Hakim und sein Diener. Währenddessen hatte Mirijam Mühe, nicht von ihrem Kamel zu fallen.
Steif kletterte sie auch an diesem Abend von der Stute, froh, den Tag hinter sich zu haben und sich ausstrecken zu können. Chekaoui hatte sie zu einem Lagerplatz im Schutz einer hohen Düne geführt und die Kamele versorgt. Ein Feuer gab es nicht. » Man riecht den Rauch über weite Entfernungen«, erklärte der Schwarze. Er lachte nicht mehr. Jetzt schlief er ein Stück abseits neben seinem Kamel. Schon vor Tagesanbruch würden sich ihre Wege trennen. Während er nach Tadakilt zurückritt, würden Mirijam und der Hakim allein weiterziehen. Niemand kannte das geheime Ziel des Arztes, nicht einmal Chekaoui.
Nach einem Blick auf die Kamele und den Umriss des schlafenden Chekaoui sammelte sich Alî el-Mansour. Mirijam saß dicht neben ihm, so dass er ganz leise sprechen konnte. Jeder Laut trug weit in der nächtlichen Wüste, das galt es nicht zu vergessen. Es fiel ihm nicht leicht, Mirijam gegenüber seinen Verdacht laut auszusprechen, andererseits konnte er sie aber auch nicht länger im Ungewissen lassen. Also unterrichtete er Mirijam in möglichst sachlichem Ton darüber, wer ihr nach seinen Erkenntnissen nach dem Leben trachtete: ein Kaufmann aus Antwerpen, der nach dem Tod des Vaters dessen Vermögen an sich gerissen hatte und beide Erbinnen ausgeschaltet wissen wollte.
Bis hierher hatte der Hakim seine Worte behutsam, aber doch klar gesetzt. Nun warf er Mirijam einen besorgten Blick zu. Das junge Mädchen schaute ihn mit unbewegter Miene an, als warte es darauf, dass er fortfuhr.
Entschlossen sprach er weiter: » Du ahnst es vielleicht schon. Hinter dem Überfall auf die Schiffe deines Vaters, womöglich auch hinter dem Tod deiner Schwester und auf jeden Fall hinter dem Mordkomplott gegen dich steckt ein und derselbe Kopf: dein einstiger Lehrer, dieser Advocat Jakob Cohn. Darauf könnte ich einen Eid schwören! Du hast gehört, was der Gesandte berichtete? Er bestätigte nur die Gerüchte, die ich schon vor einiger Zeit vernahm. Leider kennen wir nicht alle Hintergründe, doch sollten wir davon ausgehen, dass vieles von dem, was der Gesandte sagte, stimmt. Der Pascha handelt im Interesse des Advocaten, weil es seinen eigenen Interessen nützt. Ich vermute, es handelt sich um irgendwelche groß angelegten Geschäfte und um widergesetzliche und sicherlich einträgliche Machenschaften, für deren Durchführung man den Namen eines seriösen Handelshauses benötigt.«
Mirijam fühlte sich, als habe man ihr einen Schlag versetzt. Advocat Cohn, ihr Lehrer, ihr Onkel – ein Mörder? Aber was hatte er davon, wenn ihr etwas zustieß? Bis zu ihrer Volljährigkeit oder Heirat konnte er als Treuhänder mit ihrem Erbteil doch machen, was er wollte. Bestimmt war das alles nur ein Irrtum oder böswilliges Gerede …
» Leg dich nun schlafen. Wir werden morgen weitersprechen. Dann sage ich dir auch, welches Ziel ich im Sinn habe, wo wir hoffentlich Sicherheit finden. Möge Allah dir eine ruhige Nacht schenken.«
Mirijam starrte in den Himmel und verfolgte den Weg der Sterne. Die
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