Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
Absichtserklärungen waren der amghar und seine Mutter in Féz sicher keine willkommenen Gäste.
Seit einigen Tagen gingen Gerüchte um, die Armee des Sultans von Taroudant rüste sich zu einem Kriegszug gegen Féz. Wenn man der Botschaft Glauben schenkte, so befand sie sich bereits auf dem Marsch nach Norden. Der Imam vermutete zwar, dass diese Nachricht übertrieben war, dennoch hätte er sich gern mit Abu Hassun beraten. Der Regent hielt alle Fäden in der Hand, außerdem verstand er es, Sultan Ahmad zu lenken, ohne dass dieser es merkte. Stattdessen musste er hier ausharren, diesem wankelmütigen Zauderer Mut zusprechen, ihn besänftigen, ein anderes Mal bestärken und dabei unauffällig, aber fortwährend in die gewünschte Richtung bugsieren. Der Imam unterdrückte einen Seufzer.
Sultan Ahmads und Abu Hassuns schöne Pläne durften nicht gefährdet werden. Sie stimmten hervorragend mit denen seines eigentlichen Herrn, des Sultans in Konstantinopel, überein.
Immerhin war die Einnahme von Sijilmassa gelungen, zum Glück sogar weitgehend ohne Gegenwehr, die umgebenden Dörfer aber entzogen sich noch immer dem Zugriff, dabei sollten sie sich inzwischen längst ebenfalls in osmanischer Hand befinden. Man müsste also Verhandlungen führen, der amghar müsste die Sheïks überzeugen. Bisher verweigerte sich Sheïk Hussein jeder Unterredung. Hier würde er eingreifen, damit endlich Fakten geschaffen wurden, überlegte Sîdi Alî. Das Umland musste schon wegen seiner Fruchtbarkeit unbedingt unter Kontrolle gebracht und mit unlösbaren Knoten an Sijilmassa – und damit an das große osmanische Reich – gebunden werden.
Mit sanfter Stimme, die den Druck kaschierte, den er auszuüben gedachte, setzte der Imam seine Argumentation fort: » Sagtest du nicht selbst, nicht nur der junge Saïd habe die Stadt verlassen, sondern auch seine Mutter und die Mädchen? Da siehst du es, was könnte das anderes als ein vollständiger Rückzug sein? Die Lage beruhigt sich also, und du kannst dich deinen Aufgaben widmen.« Er nickte dem amghar zu. » Du hast davon gehört, dass ein Händler aus dem Norden in der Stadt eingetroffen ist? Sicher werden ihm bald weitere folgen, du benötigst also die Waren der Karawane. Nachdem dein Bruder verschwunden ist, sollte es nun ein Leichtes sein, die Sachen aufzuspüren, seine Karawanenmänner werden Bescheid wissen. Halten sie sich nicht immer noch an diesem Stapelplatz am Turm auf? Ich rate dir dringend, mit ihnen zu verhandeln.«
Der amghar schüttelte den Kopf, was Sîdi Alî jedoch übersah. » Nimm dir ein paar Janitscharen und zeige dich in der Stadt, danach reite zum Karawanenplatz und rede mit den Männern. Es wird sie von deinen guten Absichten überzeugen, wenn du zu ihnen gehst, anstatt sie in die Kasbah zu zitieren. Besonders, wenn du gleichzeitig für die Wiederbeschaffung der Waren eine großzügige Belohnung in Aussicht stellst, oder noch besser: eine Beteiligung. Du glaubst nicht, wie schnell sie begreifen, sobald du mit etwas Gold winkst. Ob und wie du dieses Angebot dann umsetzt, bleibt allein dir überlassen.«
Hussein, der unruhig seine Hände rieb und sich bei jedem Geräusch hastig umdrehte, als ob jemand hinter ihm stünde, blickte ihn überrascht an.
» Ich behaupte einfach, sie seien am Gewinn beteiligt, und wenn die Abrechnung kommt …? Dass ich nicht selbst darauf gekommen bin! Und dieser Händler aus dem Norden wird gleich sehen, dass in Sijilmassa ein neuer Wind weht. Allah gibt dir wahrhaftig gute Gedanken ein, Sîdi Alî.«
Als Hussein durch die Stadt zum Karawanenplatz ritt, war er froh, zwei der osmanischen Reiter mit all ihren Waffen vor sich und vier hinter sich zu wissen. Es gab widersprüchliche Nachrichten über die Lage in der Stadt. Die einen sagten, es herrsche Ruhe und man sei dankbar über den Schutz der Osmanen, andere hingegen behaupteten, es gäre und die Leute rotteten sich zusammen. Von Letzterem war nichts zu merken. Dennoch fühlte er sich mit seiner Eskorte sicherer.
Nur wenige der Bewohner grüßten ihn, die meisten verschwanden beim Anblick der Janitscharen schleunigst in Seitengassen und Hofeingängen. Einige Frauen, die an einem der Brunnen beieinanderstanden, ließen gar ihre Wasserkannen im Stich, flüchteten ins nächstbeste Haus und schlugen die Tür hinter sich zu. Hussein konnte hören, wie von innen Riegel vorgeschoben wurden. Bisher war man dem amghar stets mit Achtung begegnet, und zu Brahims Zeiten hatten sich die Leute
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