Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
für seine Schiffe sei es kein Problem, unbehelligt die Mittelmeer- und auch die gesamte Atlantikküste rauf und wieder runter zu segeln. Abgesehen von dieser Angeberei schien er jedoch ein fähiger Kapitän zu sein, sofern man das bei einem Mann aus Genua überhaupt erwarten konnte. Welchem Zweck seine Reise diente, darüber hatte er allerdings kein Wort verloren. Machten die Genueser neuerdings Geschäfte mit den Piraten? Oder ging es womöglich darum, selbst Sklaven für ihre Flotte einzufangen? Die sogenannte Erlauchteste Republik Genua war schon mehrfach durch zweifelhafte Praktiken aufgefallen.
Nun, all das konnte ihm gleich sein, viel wichtiger war das angegebene Ziel: Santa Cruz.
Dio mio, viel hätte nicht gefehlt und er hätte den Genueser verpasst, dabei musste diese Begegnung geradezu als Fügung angesehen werden! In aller Eile hatte er ein kurzes Schreiben an Sarahs Eltern verfasst, in dem er ihnen mitteilte, wo sich ihre Tochter inzwischen aufhielt, und es dem Kapitän zur Beförderung anvertraut. Solch eine Gelegenheit musste man schließlich nutzen.
Vor Monaten schon, kurz nach der Geburt der kleinen Margali, hatte er Sarahs Brief an die Eltern einem anderen Kapitän mitgegeben, eine Antwort darauf hatte sie bis zu ihrer Abreise aus Venedig jedoch nicht erhalten. Vielleicht hatte das Schreiben seinen Bestimmungsort nie erreicht? Die Zeiten waren schließlich unsicher, und längst nicht jede Nachricht gelangte zu ihrem Empfänger. Inzwischen war Sarah heimlich aus Venedig geflohen und nur über die verschlungenen Wege ihrer Mittelsleute auffindbar, was es unwahrscheinlich machte, dass eine Antwort der Eltern den Weg zu ihr fand. Aber was, falls sie nichts mehr von ihrer Tochter wissen wollten und aus diesem Grund nicht antworteten? Andererseits konnte er sich das kaum vorstellen, nicht nach den liebevollen Worten, mit denen Sarah von ihren Eltern gesprochen hatte. Nun, vielleicht war ihre Antwort in der Zwischenzeit ja in Venedig eingetroffen. Womöglich hatten sie sich sogar selbst auf den Weg gemacht? Niemand konnte das wissen, genauso wenig, wie nah Sarah inzwischen seinem Herzen stand. Er seufzte. Und als die afrikanische Küste hinter den Heckaufbauten im Dunst versank, stapfte er energisch den Niedergang zu seiner Kajüte hinunter.
Seitdem sie ihm in jener Winternacht – unter Tränen! – von ihren Eltern, ihren Lügen und ihrer Vernarrtheit in den unsäglichen Capello erzählt hatte, fühlte er sich diesen unbekannten, offenbar recht tüchtigen Leuten verbunden, beinahe, als gehörte er zur Familie. Und hatte er denn nicht tatsächlich, jedenfalls am Rande, Teil an Sarahs Schicksal? Hatte sie nicht Schutz gesucht bei ihm, und hatte sie nicht ihr Kind unter seinem Dach geboren?
Sicher hatte sie damals falsch gehandelt, das war keine Frage, aber sie war ja noch so jung gewesen, als sie den vermaledeiten Capello kennenlernte. Dieser Mann, der Schuld an ihrer unglücklichen Lage trug, der war Venezianer, noch dazu Kapitän wie er selbst, oder nicht? Das war eine Tatsache. Aber sein Verhalten war eines Venezianers nicht würdig! Ein Spieler, Zecher und Frauenheld, ein Mann ohne Anstand und Gewissen, ein elender Betrüger … Empörend! Pacelli ballte seine Rechte zur Faust und schlug damit in seine offene linke Hand.
Wie hatte er sich für Capellos Handlungen geschämt! Dann allerdings schien ihn diese Gewissenslast beflügelt zu haben. Wie wäre ihm sonst wohl die Idee mit der Perlenstickerei an zwei weit voneinander entfernten Orten eingefallen, noch dazu mit einem Meer dazwischen? Und hätte er das alte, jüdische Schlitzohr Jacopo je dazu gebracht, sich weiterhin um Sarahs Geschäfte in Venedig zu kümmern, wenn dieser nicht ähnlich empfand? Seine Beredsamkeit damals hatte alle überzeugt, darauf konnte er sich durchaus etwas zugutehalten. Allerdings musste sich erst noch zeigen, wie tragfähig diese Konstruktion war. Doch abgesehen von dieser Sache mit Loredan, über deren wahre Hintergründe man nach wie vor nichts Genaues wusste, war nun alles einigermaßen zufriedenstellend geregelt. Sogar Sarahs Eltern wussten schon bald, wo sich ihre Tochter befand .
Nachdem er gestern dem Genueser Kapitän seinen Brief übergeben hatte, hatte er die halbe Nacht wach gelegen. Selbst heute Morgen hatte er noch mit sich gerungen, ob er anstelle Kurs Venedig nicht doch lieber Westkurs befehlen sollte, um nach Melilla zurückzusegeln.
Noch nie war ihm der Abschied von Nordafrika schwergefallen, im
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