Pusteblume
sie zurückzuckte sagte er: »Tut mir leid. Wie wär’s mit einem Kaffee?«
Ravi holte ihr einen Becher Kaffee. Vinnie, Teddy, Evelyn, die schlanke Cherry und der dösige Steve wandten unwillkürlich ihren Blick von den Bildschirmen ab, um zu sehen, was passieren würde, wenn Taras Lippen mit dem Becher in Berührung kamen. Sie hob den Becher an den Mund, nahm einen kleinen Schluck und hielt ihn hoch, so daß alle ihn sehen konnten. Wie aus einem Munde riefen sie: »Oh!«, als sie den weinroten, halbmondförmigen Bogen des Lippenabdrucks am gelben Becherrand gewahr wurden. »Es hieß, er sei lange haltbar«, tröstete Ravi sie, »nicht unauslöschlich.«
Tara seufzte und sagte: »Ich glaube, ich geb auf. Offenbar ist mir kein Erfolg beschieden.«
Nach der Arbeit ging sie mit Ravi und den anderen Kollegen in den Pub und erwähnte weder Thomas noch Fintan noch sonst etwas Unangenehmes. Aber in ihrem Kopf spukte alles mögliche umher. Sie wurde das Gefühl eines allgegenwärtigen, nicht faßbaren Schreckens nicht los.
Sie ging nach Hause. Als sie Thomas sah, wuchs das Gefühl der Kränkung. Sie bemühte sich um einen normalen Ton und sagte: »Weißt du was? Katherine ist morgen mit einem Mann verabredet.«
Er schnaubte. »Ob sie wohl das Vorhängeschloß von ihrem Höschen nimmt?«
Sie zwang sich, nichts zu sagen. Sie konnte es sich nicht leisten, wütend zu werden. Aber sie sah sie beide plötzlich wie aus großer Entfernung und dachte, daß dies doch eine merkwürdige Art des Umgangs für zwei Menschen sei, die sich angeblich liebten.
Was für ein groteskes Leben. Was für eine
Verschwendung.
Sie konnte nicht sagen, wann sie die Grenze überschritten hatten, aber sie wußte, daß es nicht immer so gewesen war.
Sie war es so leid. All diese schwierigen Dinge in ihrem Leben – sie konnte nicht mehr.
»Hol mir was zu trinken«, sagte sie. »Ein Glas Weißwein.«
Verdutzt gehorchte er.
Etwas Grundlegendes war in Gang gekommen. Sie wußte nicht, was es war. Und sie war sich nicht sicher, ob sie es herausfinden wollte.
55
T ara hatte längst gelernt, ihr Leben in verschiedene Abteilungen zu gliedern. Thomas hatte sich nie mit ihren Freunden einlassen wollen. Als sie am Samstagmorgen zu Katherine fuhr, um ihr bei den Vorbereitungen für die Verabredung mit Joe Roth zu helfen, fiel es ihr deshalb leicht, ihr Gekränktsein und das Gefühl, daß eine Veränderung in ihrem Leben mit Thomas bevorstand, zurückzulassen. Sehr leicht sogar. Ihr Leben war in letzter Zeit sehr unangenehm geworden, es verwirrte und verunsicherte sie, so daß es geradezu ein
Vergnügen
war, für kurze Zeit daraus zu entkommen. Berstend vor Aufregung kam sie bei Katherine an.
Katherine trug einen BH und enge Jeans. Der Reißverschluß betonte ihren flachen Bauch und die Hüftknochen.
»Du ziehst sie an, weil du weißt, wie gern ich welche tragen würde, stimmt’s?« sagte Tara erfreut. »Weil du mich magst.«
»Ich ziehe sie an, weil ein Fußballstadion nicht der geeignete Ort für das kleine Schwarze ist«, erwiderte Katherine.
»Stimmt ja gar nicht, du tust deiner dicken alten Freundin einfach einen Gefallen und läßt mich teilhaben an den Jeans. Ich wünschte, ich wäre schlank wie du«, sagte Tara mit Bedauern, »du mit deinem flachen Po und den dünnen Beinen. Zum Glück bist du meine Freundin, sonst hätte ich dich schon längst umgebracht.«
Tara sah sich in der Wohnung um. Etwas war anders als gewohnt. Die Zimmer waren immer noch in einem heillosen Durcheinander, obwohl die O’Gradys vor fast einer Woche abgereist waren. Dem Teppich im Wohnzimmer hätte es gutgetan, wenn er mal gesaugt worden wäre, die Möbel waren staubig, die Dinge standen nicht an ihrem Platz, und durch die offene Küchentür sah man die schmutzigen Teller unordentlich im Spülbecken stehen.
»Ach, das.« Katherine winkte ab. »Ich weiß. Ich wollte einen Großputz machen, als sie abgefahren sind, aber, na ja…« Dann fügte sie hinzu: »So schlimm ist es ja nicht. Mir macht es nichts. Ein bißchen unordentlich, aber wenigstens ist es sauber.«
Es war nicht sauber, aber Tara schluckte ihre Bemerkung schnell hinunter und schwieg.
»Weiß du, ich vermisse sie regelrecht«, bekannte Katherine. »Ich hatte mich an sie gewöhnt.«
»Aber sie haben dich wahnsinnig gemacht«, rief Tara. »Milo, der deine Coco-Chanel-Lotion benutzt hat, zum Beispiel.«
»Wir haben keine Beweise dafür, daß es Milo war«, verteidigte Katherine ihn. »Vielleicht war es
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