Pusteblume
Beteiligten Harmonie zu erzwingen versuchten, wurde daraus ein Problem.
»Ich habe keine Vorspeise gegessen, und du wirst staunen, wenn du meine Geschenke siehst! Guck mal, der Lippenstift. Ist er nicht super?«
»Nicht schlecht.« Er zuckte die Achseln.
Auf dem Couchtisch lagen einige Papiere, die Tara erst jetzt bemerkte. »Oh, Thomas, du hast das Formular für meine Autoversicherung ausgefüllt. Danke! Du weißt, wie sehr mir das zuwider ist.«
»Sag nicht, daß ich nie was für dich tue.« Er grinste. »Und wo wir schon davon sprechen, ich habe für morgen Kinokarten bestellt.«
»Für welchen Film?«
»Lock, Stock and Two Smoking Barrels.
Ein Gangsterfilm. Hört sich gut an.«
»Ach.« Sie sah ihn enttäuscht an. »Ich hatte dir doch gesagt, ich würde gern den
Pferdeflüsterer
sehen.«
»Die sentimentale Schnulze guck ich mir nicht an.«
»Aber…«
Thomas war etwas pikiert, und bevor seine Stimmung, wie so oft, umschlug, sagte Tara schnell: »Na, macht ja nichts. Bestimmt ist der Film auch gut.«
Thomas war schrecklich empfindlich. Seinen Anfang hatte das an einem Sonntagmorgen genommen, als er sieben war und seine Mutter mit einem Koffer im Hausflur angetroffen hatte. Auf seine überraschte Frage, wohin sie verreisen wolle, hatte sie lachend erwidert: »Stell dich nicht blöd! Du weißt doch Bescheid.« Er beharrte darauf, er wisse nichts, worauf sie voller Bitterkeit sagte: »Wir trennen uns, dein Dad und ich.« Auf diese Weise erfuhr er davon, und fünfundzwanzig Jahre später war der Schmerz, daß seine Mutter weggehen wollte, ohne sich von ihm zu verabschieden, unvermindert stark.
»Du brauchst nicht mitzukommen, wenn du nicht willst.« Thomas schien verletzt. »Aber wo ich mir schon die Mühe gemacht habe…«
»Ich will den Film sehen«, versicherte sie ihm. »Wirklich. Danke, daß du Karten bestellt hast. Wer will schon Robert Redford mit seinem alten, runzeligen Gesicht sehen?« Ihr Blick fiel auf eine Tüte Erdnüsse, die Thomas mit seinem Körper fast verdeckte. »Mmhhm, lecker.«
»Finger weg!« Er schlug ihre Hand fort.
»He, ich hab doch Geburtstag.«
»Ich bin dein Gewissen«, sagte er mit dröhnender Stimme. »Eines Tages wirst du mir noch dankbar sein.«
»Du hast recht«, sagte sie traurig.
»Nimm’s nicht so schwer, Tara«, tröstete er sie. »Es ist nur zu deinem Besten.«
»Das stimmt.« Sie kramte in ihrer Handtasche. »Oh, Mist. Ich hab keine Zigaretten mehr. Wie kommt das nur? Hast du welche?«
Er zögerte nur einen winzigen Augenblick, bevor er ihr seine Packung zuwarf. Als er sich mit dem Feuerzeug zu ihr beugte, sagte er: »Wir müssen aufhören, Tara.«
»Stimmt.«
»Es kostet uns ein Vermögen.«
»Du hast recht.«
»Drei Pfund am Tag, Tara. Für jeden von uns.«
»Ich weiß.«
»Das sind einundzwanzig Pfund in der Woche. Für jeden von uns.«
»Ich weiß.«
»Das sind achtzig Pfund im Monat. Für jeden von uns.«
»Ich weiß.«
Das sind tausend Pfund im Jahr. Für jeden von uns. Überleg mal, was wir uns dafür kaufen könnten, Tara, sagte Tara zu sich selbst.
»Das sind tausend Pfund im Jahr. Für jeden von uns«, sagte Thomas. »Überleg mal, was wir uns dafür kaufen könnten, Tara.«
Für dich ist es ja okay. Du bist schließlich Computeranalystin. Du verdienst doppelt soviel wie ich.
»Für mich ist das ja okay«, sagte sie keck. »Ich bin schließlich Computeranalystin. Ich verdiene doppelt soviel wie du.«
Einen Moment herrschte ein nervöses Schweigen, dann grinste Thomas verlegen.
Düster, wie die Stimme aus dem Off in einem Dokumentarfilm, sagte Tara: »Er war der größte Geizkragen, den ich kannte.«
»Was bleibt mir denn anderes übrig?« erwiderte er heftig.
Alle seine Freunde vom College hatten gute Stellen gefunden und verdienten sagenhaft viel Geld; ihr vierteljährlicher Bonus war oft größer als das Jahresgehalt, das Thomas bekam. Aber Thomas’ unverblümte Art kam bei zukünftigen Arbeitgebern in der Industrie, die umschmeichelt werden wollten, nicht gut an. Deswegen war er Erdkundelehrer an einer Gesamtschule in einem westlichen Bezirk von London geworden. Er arbeitete viel, wurde schlecht bezahlt und war bekannt für seine Bitterkeit. Noch bekannter war er allerdings für seinen Geiz. »Ich müßte soviel bekommen wie ein Minister, denn Kinder zu unterrichten ist eine der wichtigsten Aufgaben überhaupt«, sagte er oft. (»Tut mir leid, ich habe meine Brieftasche vergessen. Kannst du mal bezahlen?« war ein anderer
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