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Pusteblume

Pusteblume

Titel: Pusteblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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drückt es dich?«
    »Unterernährung«, seufzte Tara. »Ich bin in dem Stadium, wo der Bauch aufquillt, weil nichts drin ist. Bei mir ist die Krankheit schon sehr weit fortgeschritten, Bauch und Oberschenkel sind betroffen.«
    »Wo wir davon sprechen«, sagte Katherine schnell, »sollen wir den Pizza-Service anrufen?«
    »Redest du vom Essen?« sagte Fintan durch die Nase. »Nicht für mich. Wir aus der Modebranche essen nie.«
    »Aber irgendwas braucht ihr auch.«
    »Ich? Niemals!« ereiferte sich Fintan und klopfte sich auf den Bauch. »Letzten Dienstag habe ich ein Anadin genommen und ein Gramm zugenommen. Jetzt wiege ich fast fünfunddreißig Kilo. Solchen Quatsch muß ich mir jeden Tag bei der Arbeit anhören, das müßt ihr euch mal vorstellen«, sagte er finster. »Das geht einem auf den Keks. Also gut, ich nehme eine große Quattro Stagioni mit Extraportionen Käse, Tomaten, Champignons, Peperoni und Schinken…« Alle warteten, daß er sagen würde: »Ach, Mist, ich nehme zwei große Quattro Stagioni, und basta!« Das sagte er sonst immer. Und als er es nicht sagte, erinnerte Katherine ihn daran, worauf er erwiderte: »Ich habe keinen Hunger. Eine reicht mir.«
    »Eine große Quattro Formaggi für mich«, sagte Sandro entschlossen. Er war einer dieser schmächtigen kleinen Männer, die wie Scheunendrescher aßen und nie zunahmen.
    »Ich habe einen Riesenhunger und könnte eine Keule vom Lamm Gottes verspeisen«, sagte Tara, »aber ich nehme nichts, ich bin auf Diät. Wißt ihr, wenn ich auf Diät bin, esse ich soviel wie sonst auch, nur daß ich ständig ans Essen denke. Aber das tue ich auch sonst. Ich habe immer Hunger. Man muß mir nur auf die Zehen treten, und schon geht der Mund auf!« Ihre Stimme wurde schriller. »Wenn ich nervös bin, kriege ich Hunger. Wenn ich aufgeregt bin, kriege ich Hunger. Wenn ich Sorgen habe, kriege ich Hunger. Und sogar wenn mir schlecht ist, ist Essen das einzige, was meinen Magen beruhigt. Mein Leben ist ein ALPTRAUM.« Sie brach mit einem grellen Ton ab, und ihre Worte hallten in dem mitleidvollen Schweigen der anderen wider. Dann sagte Katherine: »Also das gleiche wie immer?«
    »Und wie wär’s mit einer Extraportion Knoblauchbrot und Käse?« schlug Tara vor.
    Katherine gab am Telefon die Bestellung auf, dann setzten sich alle vor den Fernseher und sahen sich
The Ambassador
an.
    »Tolle Serie«, sagte Fintan, als der Film für die Werbung unterbrochen wurde. »Gute, saubere, altmodische Unterhaltung. Wie in der guten alten Zeit.«
    »Ich hätte nicht soviel bestellen sollen«, sagte Tara leise dazwischen, als würde sie zu sich selbst sprechen. »Hätte ich bloß nichts bestellt.« Ihre Stimme wurde lauter. »Hätte ich doch bloß nichts bestellt. O Gott, wenn ich bloß nichts bestellt hätte!«
    »Du brauchst doch nichts zu essen«, beruhigte Katherine sie.
    »Ich kann nicht anders«, kreischte Tara fast hysterisch. »Ich kann einfach nicht anders. Ich habe es bestellt, und jetzt muß ich es auch essen. Ich habe nicht ein Fünkchen Willenskraft. Aber meine ganze Zukunft hängt davon ab.« Sie schluckte. »Wie soll das bloß weitergehen?«
    Und damit ließ sie den Kopf in die Hände sinken und brach in Tränen aus, so daß ihr ganzer Körper bebte.
    In dem Moment kam der Pizzafahrer, und während Katherine und Sandro versuchten, Tara zu trösten, ging Fintan zur Tür, nahm die Pizzakartons in Empfang und regelte die Bezahlung. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, auf die Straße zu gehen und nach dem Wikinger Ausschau zu halten, aber Lorcan war längst fort.
    Als es anfing zu regnen, beeilte sich Lorcan nämlich, nach Hause zu kommen. Er war bei feuchtem Wetter nicht gern draußen, denn sein Haar, so weich und seidig es auch war, krauste sich in Sekundenschnelle zu einem Afro-Look, wenn es naß wurde. Da er sich aber nicht lächerlich machen wollte, indem er rannte, konnte man ihn nach zwanzig Minuten, als er in seiner Wohnung ankam, für Ronald McDonald halten. Er mußte sich umgehend die Haare waschen. Zum Glück war dies sowieso der Abend, an dem der Conditioner fällig war. Als Fintan noch einmal die Straße auf und ab sah, schlang Lorcan sich gerade ein vorgewärmtes rosafarbenes Handtuch um den Kopf, nachdem er den Conditioner in seine Haare einmassiert hatte. Ich bin es wert, sagte er sich mit Überzeugung und lächelte in die nicht vorhandene Kamera. Ich bin es wert.
    Fintan ging wieder nach oben.
    »Entschuldigt bitte«, schluchzte Tara. »Es ist

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