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Pusteblume

Pusteblume

Titel: Pusteblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Sie heute zur Arbeit gekommen sind. Sie haben einen alten Mann sehr glücklich gemacht.«
    Katherine hob kühl eine Augenbraue. »Wirklich?«
    »Ja, wirklich. Wie ein weiser Mann einst bemerkte…« Joe brach ab, rieb sich das Kinn und fuhr fort: »Wie ging es noch einmal? Ach ja, richtig! ›You are the sunshine of my life.‹«
    »Das ist ja interessant«, erwiderte Katherine langsam, »denn ein anderer weiser Mann – ein Richter übrigens – sagte einmal: ›Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist ein Verbrechens«
    Einen winzigen Augenblick herrschte Schweigen, dann zuckte Joe zusammen, als hätte sie ihn geschlagen. Er lief rot an und glitt schockiert und voller Selbstekel von der Schreibtischkante.
    Sexuelle Belästigung! Sie hatte gesagt, er würde sie sexuell belästigen. Er! Joe Roth! Er hatte immer gedacht, sexuelle Belästigung sei das Revier älterer Männer, die Machtpositionen innehatten und sie für sexuelle Gunstbeweise ausnutzten. Wie Fred Franklin. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, daß er, indem er Katherine so hartnäckig nachstellte, in diesen Verdacht kam. Er war der Meinung gewesen, daß er mit ihr
flirtete.
Er fühlte sich schmutzig und widerlich – und verstoßen.
    »Es tut mir leid«, sagte Joe mit schreckerstarrtem Gesicht, als er den Rückzug antrat. »Das war nicht meine Absicht … es tut mir leid.«
    Katherine kostete ihren bitteren Triumph aus und wandte sich den Zahlen auf ihrem Tisch zu. Sie mußte fairerweise zugeben, daß es nicht Belästigung im eigentlichen Sinn war. Nie hatte er zufällig-absichtlich ihre Brustwarzen gestreift, während er ihr sein Spesenformular reichte. Oder sie dazu aufgefordert, mit ihm zu schlafen, falls sie eine Gehaltserhöhung wollte. Auch hatte er sich nicht auf dem zwei Meter fünfzig breiten Flur an ihr vorbeigezwängt, während sie am Photokopierer stand, und seine Erektion an sie gepreßt und gesagt: »Hoppla, Entschuldigung, komme schon durch! Einfach zu eng, dieser Korridor«, so wie es Fred Franklin manchmal bei den anderen Frauen machte.
    Aber er hatte sie unter Druck gesetzt, damit sie mit ihm zum Lunch ging. Auch wenn es halb geschäftlich war. Und er hatte sie häufig angelächelt, sehr häufig sogar, und das hatte nichts mit der Arbeit zu tun. Ganz zu schweigen von all dem Gerede über weise Männer und was sie alles gesagt hatten. Es fiel ihr auf die Nerven!
    Sie unterdrückte das unangenehme Gefühl, daß Opfer tatsächlicher sexueller Belästigung von ihren Anschuldigungen nicht beeindruckt wären. Aber wenigstens war sie ihn los. Also dann. Die Bilanzen!
    Joe ging zu seinem Schreibtisch zurück, und Myles, der das Gespräch beobachtet hatte – zusammen mit den meisten anderen Mitarbeitern von Breen Helmsford –, murmelte mitleidig: »Hat sie dich in den Rinnstein gestoßen?«
    »Ja«, sagte Joe tonlos.
    Sofort zogen sich die anderen von ihm zurück und machten einen weiten Bogen um ihn. Es gab Zeiten, da mußte ein Mann eben allein sein, sagten sie sich.
    Wäre eine Frau so behandelt worden, dann hätten sich die anderen Frauen um sie geschart und sie mit Pralinen und tröstenden Worten überschüttet. »Gemeiner Mistkerl!«
    »Von der Sorte gibt’s haufenweise.«
    »Wahrscheinlich hat er einen winzigen Pimmel.«
    Aber Joe war ein Mann, und deshalb war sein Tisch in kürzester Zeit ein winziges Floß in einem sehr großen Meer. Den ganzen Morgen über ging jeder von der rechten Seite des Großraumbüros, der mit jemanden auf der linken Seite des Büros sprechen wollte, zum hinteren Ende des Raumes, stieg die Feuerleiter fünf Stockwerke hinunter, kletterte über die Mülltonnen, kam zur Hintertür herein, fuhr mit dem Aufzug nach oben und ging zu dem entsprechenden Schreibtisch, statt an Joes Tisch vorbeizugehen.
    Fred Franklin war der einzige, mit dem Joe an dem Morgen sprach, und das nur deswegen, weil Fred keine Lust hatte, die Feuerleiter runterzusteigen. Er schlenderte an Joes Schreibtisch vorbei, legte Joe unbeholfen eine Hand auf die Schulter und sagte zu ihm wie ein weiser älterer Freund, der gute Ratschläge an die unerfahrenen Jüngeren ausgab: »Such dir ‘ne andere.«
    Katherine nahm von all dem keine Notiz, sie hatte zu arbeiten. Außerdem kommt er vielleicht wieder, dachte sie. Und wenn er das tut, dann weiß ich, daß er ein krankhaft arroganter Wichser ist. Und wenn er es nicht tut, dann wäre er sowieso nicht der Richtige für mich. In jedem Fall bin ich fein raus.
    Dann überkam sie ein unerwartetes,

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