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Pusteblume

Pusteblume

Titel: Pusteblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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heraus, hielt die Visa-Karte in die Höhe und zeigte sie den Anwesenden. »Sehen auch alle zu?« Dann überwand sie ihre Verlustängste und stieß die Schere in das harte Plastik. Während alle außer Vinnie applaudierten, murmelte Tara: »Ich bin gereinigt, ich bin geläutert. Jetzt die Access-Karte.«
    Alle standen stumm dabei, als Tara die Access-Karte in der Mitte durchschnitt, dann applaudierten sie.
    »Die Amex-Karte?« half Ravi ihr, als sie einen Moment zögerte. Tara nahm sie heraus und zerschnitt sie.
    »Die Sears-Karte?« sagte Ravi, worauf Tara gereizt erwiderte: »Irgendwas brauche ich aber! Stell dir vor, es ist ein Notfall.«
    »Dann hast du immer noch deine Cashpoint-Card und deine Switch-Karte.«
    »Also … dann.« Mit traurigem Blick nahm Tara ihre Sears-Karte, schnitt sie durch und ließ sie in den Papierkorb fallen.
    »Es dauert keine Woche, bis du am Telefon hängst und sagst, deine Brieftasche sei dir gestohlen worden und du brauchst neue Karten«, seufzte Vinnie. Vielleicht sollte er einen Kurs machen, in dem man lernt, wie man ein Büro leitet. »Geht ihr jetzt bitte an die Arbeit?« sagte er ungeduldig und versuchte, reichlich spät, den Chef zu markieren.
    Die Nachricht von Taras Obststand verbreitete sich, und Mitarbeiter aus anderen Abteilungen kamen, um zu gucken und sich zu amüsieren. Das war Tara peinlich, aber sie blieb standhaft. Es mußte etwas geschehen, besonders nach ihrem Anfall im Supermarkt am Abend zuvor. Wenn sie sich mit Obst umgab, hatte sie keinen Grund, etwas anderes zu essen.
    Aber Obst brachte einfach nicht die gleiche Erfüllung, wie viel sie davon auch aß. Sie verzehrte einen Apfel, eine Pflaume, zwei Satsumas, drei Nektarinen, noch eine Satsuma, vier Pflaumen, eine Handvoll Weintrauben, noch eine Satsuma – und hatte immer noch einen Bärenhunger. Also nahm sie sich eine Birne vor und hätte sich beinahe einen Zahn daran ausgebrochen. Sie seufzte. Mit Birnen hatte sie ihre Erfahrungen. Es gab eine Phase von anderthalb Minuten, in der Birnen genießbar waren. Bis zu dem Zeitpunkt waren sie steinhart. Danach waren sie gegorener Matsch. Wenn man sie in dem kurzen Augenblick erwischte, waren sie eine Köstlichkeit, aber die Chancen dafür waren gering.
    An dem Morgen fand ein Brainstorming statt, bei dem es um das MenChel-Projekt ging, für das sie soeben den Auftrag bekommen hatten.
    Vinnie wanderte vor der weißen Tafel im Büro auf und ab, zeichnete Diagramme und Zeittafeln darauf und rieb sich die immer sichtbarer werdende Kopfhaut.
    »Für dieses Projekt halte ich meinen Schwanz hin, Leute«, flüsterte Ravi Tara zu, während Vinnie seine Show abzog.
    »Bei dem Projekt geht es um zweitausend pro Mann und Tag, und wir müssen es hinkriegen, weil wir die bescheuerten Rechnungsprüfer im Nacken haben«, erklärte Vinnie.
    »Was das wohl für ein weißer Fleck auf Vinnies Ärmel ist?« flüsterte Ravi Tara zu.
    »Babyspucke.«
    »Und wir müssen die Termine einhalten«, erläuterte Vinnie weiter, »also keine Zeit für Ausrutscher. Wir müssen wirklich als Team arbeiten und … was um alles in der Welt ist das für ein Gurgelgeräusch?«
    »Das kommt von Tara«, sagte Teddy zufrieden.
    »Das zeigt ja wohl nicht den wahren Teamgeist.« Tara war verletzt. »Mit dem Finger auf mich zu zeigen. Entschuldigung, Vinnie, es ist mein Magen. Der ganze Obstsaft schwappt da hin und her. Da ist echt was los.«
    Nichts sehnte sie so sehr herbei wie ein paar Kohlehydrate, mit denen sie den Aufruhr beruhigen konnte. Und die die Flüssigkeit aufsaugen würden. Ihr Magen fühlte sich wie ein riesiger Bankettsaal an, mit zwölf Meter hohen Decken. Oder wie ein enormes Tagungszentrum, in dem dreitausend Delegierte Platz finden konnten. Riesig, hallend, höhlenartig und leer, leer, leer. Aber ihre Willenskraft war unerschütterlich, sie würde nicht nachgeben. Sie blieb sogar eisern, als der dösige Steve zum Doughnut-Holen geschickt wurde, um das Getriebe im Thinktank zu schmieren.
    Als die Sitzung unterbrochen wurde, hastete sie ins Raucherzimmer. »Zum Glück gibt’s noch diese Kleinen.« Tara wedelte mit ihrer Zigarettenschachtel vor der kleinen Gruppe der Unverbesserlichen in dem rauchgefüllten Raum. »Man stelle sich vor, wie fett ich wäre, wenn Nick O’Teen nicht seit Jahren den Hunger abgeblockt hätte. Die Feuerwehr müßte mich mit Schneidbrennern aus meinem Haus holen.«
    Immer wenn jemand an Taras Schreibtisch vorbeikam, brach er ein, zwei Trauben ab und steckte sie sich

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