Qiu Xiaolong
Scheck von sich hinzu und überreichte sie Lu.
»Nimm sie!« sagte er, »und lade mich einmal ein, wenn dein Restaurant läuft.«
»Ich werde dir das Geld natürlich mit Zinsen zurückerstatten«, sagte Lu.
»Zinsen? Noch ein Wort über Zinsen und ich nehme dir die Schecks wieder weg.«
»Dann werde doch mein Partner! Ich muß einfach etwas tun, alter Freund, sonst krieg ich mit Ruru heute abend noch die Krise.«
»Und worüber unterhaltet ihr beide euch jetzt? Noch eine Krise?«
Wang kam ins Wohnzimmer zurück, gefolgt von Ruru.
Lu beantwortete die Frage nicht. Statt dessen stellte er sich an das Kopfende des Tisches, klopfte mit einem Stäbchen an sein Glas und hob zu einer kleinen Rede an. »Ich möchte euch eine frohe Botschaft verkünden. Seit einigen Wochen arbeiten Ruru und ich an der Eröffnung eines Restaurants. Das einzige Problem war unser Mangel an Kapital. Dank eines äußerst großzügigen Darlehens meines alten Freundes und Genossen, des Oberinspektors Chen, ist dieses Problem nun gelöst. Bald, sogar sehr bald, wird das neue Restaurant Moscow Suburb seine Pforten öffnen.
Aus unseren Zeitungen erfahren wir, daß wir im sozialistischen China an der Schwelle einer neuen Zeit stehen. Einige alte Sturschädel grummeln, daß China immer kapitalistischer anstatt sozialistischer würde, aber wen kümmert das? Das sind doch alles nur Schlagworte. Hauptsache ist doch, die Menschen haben ein besseres Leben. Und genau das werden wir haben.
Und auch meinem guten alten Freund hier geht es bestens. Nicht nur, daß er befördert worden ist – Oberinspektor mit Anfang Dreißig! –, nein, er hat auch diese wunderbare neue Wohnung bekommen. Und an seiner Einweihungsfeier nimmt eine wunderschöne Reporterin teil.
Und letzt laßt uns feiern!«
Lu erhob sein Glas, dann steckte er eine Kassette in den Recorder, und Walzerklänge breiteten sich im Raum aus.
»Es ist schon fast neun!« Ruru blickte auf ihre Uhr. »Ich kann meine Frühschicht nicht absagen.«
»Keine Sorge«, sagte Lu. »Ich werde dich krank melden. Eine Sommergrippe. Und du, Genosse Oberinspektor, erzählst mir jetzt nichts von deiner Polizeiarbeit! Laß mich doch wenigstens diesen Abend einmal ein echter Überseechinese sein!«
»Das ist doch wieder mal typisch!« Chen lächelte.
»Ein Überseechinese«, fügte Wang hinzu, »der die ganze Nacht lang trinkt und tanzt.«
Oberinspektor Chen war kein guter Tänzer.
Während der Kulturrevolution hatte es für das chinesische Volk nur einen einzigen Tanz gegeben, der auch nur im entferntesten diesen Namen verdiente: den loyalen Charaktertanz. Dabei stampften die Menschen im Gleichklang auf den Boden, um dem Vorsitzenden Mao ihre Loyalität zu zeigen. Allerdings hieß es, hinter den Mauern der Verbotenen Stadt hätten sogar in jener Zeit viele ausschweifende Bälle stattgefunden. Außerdem hieß es, der Vorsitzende Mao, ein geschickter Tänzer, habe »auch nach dem Ball seine Beine nicht von denen seiner Partnerin gelöst«. Natürlich wußte niemand, ob diese Gerüchte der Wahrheit entsprachen. Wahr hingegen ist, daß das chinesische Volk erst ab Mitte der achtziger Jahre ohne Angst vor der Obrigkeit tanzen durfte.
»Ich muß wohl oder übel mit meiner Löwin tanzen«, sagte Lu mit gespielter Enttäuschung in der Stimme.
Dank Lus Wahl blieb nur Chen als Partner für Wang, worüber er nicht unglücklich war. Mit einer Verbeugung nahm er die ihm dargebotene Hand.
Wang war eine recht begabte Tänzerin. Sie übernahm die Führung und drehte sich auf ihren hohen Absätzen unermüdlich in dem engen Raum, wobei ihr schwarzes Haar die weißen Wände streifte. Da er etwas kleiner war als sie, mußte er zu ihr aufblicken, während er sie in seinen Armen hielt.
Eine langsame, verträumte Ballade klang in die Nacht hinaus. Ohne die Hände von seinen Schultern zu nehmen, streifte sie sich die Schuhe ab. »Wir sind zu laut«, sagte sie und lächelte ihn strahlend an.
»Was für ein rücksichtsvolles Mädchen!« sagte Lu.
»Was für ein nettes Paar!« fügte Ruru hinzu.
Sie war tatsächlich rücksichtsvoll. Auch Chen hatte sich wegen des Lärms Sorgen gemacht. Er wollte seine neuen Nachbarn nicht gleich verärgern.
Zu einigen der Melodien konnte man langsam tanzen. Entspannt bewegten sie sich zu den Klängen, während diese wie Wellen um sie herum hochstiegen, zurückwichen, sie umspielten. Auf ihren bloßen Füßen schien sie fast zu schweben, Strähnen ihres Haars kitzelten seine Nase.
Als ein
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