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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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Stühle.
    Auf Kissen gebettet, lag auf dem Sofa ein junges Mädchen und las in einem Taschenbuch. Sie hatte einen blaugestreiften Bademantel an, der ihre Oberschenkel größtenteils freiließ; ihre nackten Füße baumelten über der Sofalehne. Auf dem Couchtisch stand ein Kristallaschenbecher mit Zigarettenstummeln, an denen sich Spuren von Lippenstift befanden.
    »Sie sind also Chen Cao.«
    »Ja. Hat Ouyang Ihnen von mir erzählt?«
    »Sicher, er hat mir gesagt, daß Sie etwas Besonderes sind, aber ich fürchte, es ist wohl etwas früh für mich«, sagte sie und setzte sich auf. »Ich heiße Xie Rong.« Sie erhob sich und war überhaupt nicht peinlich berührt, während sie den Bademantel glattstrich.
    Im Zimmer roch es stark nach Alkohol, Zigarettenrauch, billigen Kosmetika und nach etwas, das schwach an Körpergeruch erinnerte.
    Sie lief barfuß über den Teppich, schenkte aus der Kanne einer Kaffeemaschine Kaffee ein und servierte ihm eine Tasse auf einem lackierten Tablett aus Fuzhou.
    »Danke sehr«, sagte er. Oberinspektor Chen dämmerte, daß hier etwas auf ihn zukam, womit er nicht gerechnet, ja, was er sich nicht im entferntesten vorgestellt hatte. Vielleicht hatte ihm Ouyang deshalb die Adresse kommentarlos hinterlassen.
    Ein Dichter, der in einer Großstadt nach einem jungen Mädchen suchte, wirkte möglicherweise »romantisch«, Grund genug für Ouyang, ihn und das Mädchen wie in einem Bestseller zusammenzubringen. Es war zwecklos, Ouyang, der es gut gemeint hatte, deshalb Vorwürfe zu machen.
    »Also, fangen wir an.« Sie stieg aufs Bett, wo sie mit um die Knie verschränkten Armen sitzenblieb und ihn in einer Haltung, die an die einer Burmakatze erinnerte, intensiv betrachtete.
    »Das erstemal, wie?« fragte sie, sein Schweigen mißdeutend. »Du brauchst nicht nervös zu sein.«
    »Nein, ich bin hierhergekommen, um …«
    »Wie wär’s zuerst mit etwas Entspannendem? Eine japanische Massage – eine Fußmassage – für den Anfang?«
    »Eine Fußmassage …« wiederholte Chen. Eine Fußmassage. In einem japanischen Roman hatte er etwas darüber gelesen. Vielleicht war das in einem Roman von Mishima gewesen. Aber es war eine Versuchung. Wahrscheinlich würde er nie wieder hierherkommen. Ob er damit die von ihm selbst abgesteckte Grenze überschritt, wußte er nicht. Für einen Rückzug war es jedoch zu spät, es sei denn, er zeigte seinen Ausweis und finge an, sie wie ein Oberinspektor zu befragen.
    Aber würde das funktionieren? Für Xie Rong, wie für andere gewöhnliche Chinesen auch, führten die Kinder hoher Parteikader wie Wu Xiaoming ein Leben völlig außerhalb ihrer Möglichkeiten und auch außerhalb des Gesetzes. Es war also ziemlich wahrscheinlich, daß sie es nicht wagen würde, etwas gegen Wu zu sagen. Weigerte sie sich aber, auf seine Fragen zu antworten, konnte Oberinspektor Chen in Guangzhou nicht viel ausrichten. Wenn er in den letzten Tagen etwas gelernt hatte, dann das, daß er auf seine örtlichen Kollegen nicht bauen konnte.
    »Warum nicht?« sagte er, mit ein paar Geldscheinen wedelnd.
    »Was für ein großzügiges Trinkgeld! Leg es auf den Nachttisch. Gehen wir ins Bad.«
    »Nein.« Er bemühte sich noch immer, irgendwo eine Grenze zu ziehen. »Ich dusche allein.«
    »Wie du willst«, sagte sie lässig. »Du bist so anders.«
    Sie kletterte aus dem Bett, kniete vor seinen Füßen nieder und begann, seine Schuhe aufzubinden.
    »Nein«, protestierte er, wieder peinlich berührt.
    »Du mußt deine Schuhe ausziehen, das ist einfach höflich.«
    Bevor er irgend etwas sagen oder tun konnte, streckte sie die Hände aus, um sein Hemd aufzuknöpfen. Als er ihren warmen Atem auf seiner Schulter spürte, wich er einen Schritt zurück. Dann holte sie hinter der Tür einen Bademantel hervor und warf ihn Chen zu. Noch angekleidet und mit dem Bademantel über der Schulter, ging er eilig ins Badezimmer und dachte dabei, daß er wie jemand in einem Film aussehen mußte.
    Das Bad war nicht größer als das im Schriftstellerhaus. Es bestand aus einer ovalen, gekachelten Badewanne mit einem drehbaren Duschkopf und einem großen Handtuch, das an einem Ständer aus Edelstahl herabhing. Über einem rissigen blauen Waschbecken aus Porzellan, vor dem ein verschlissener Läufer lag, hing ein Spiegel. Das heiße Wasser war hier allerdings nicht knapp.
    Chen hatte sich auf Xies Vorschlag eingelassen, weil er Zeit zum Nachdenken benötigte, aber ihm war klar, daß er nicht zu lange im Bad bleiben konnte.

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