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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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seinem Stuhl und sank wieder auf ihn zurück. Er blickte hoch zu den Bildern von Li an der Wand, die Zeugnis von der langen Karriere eines Politikers unter anderen Politikern ablegten. Er versuchte, eine verkrumpelte Zigarettenpackung aus seiner Tasche zu fischen, aber Li bot ihm eine aus dem Kästchen auf seinem Schreibtisch an.
    »Bin ich erledigt?« fragte Chen.
    »Nein, nicht wenn Sie nichts tun, um die Innere Sicherheit zu provozieren. Lassen Sie die Dinge sich beruhigen. Das habe ich denen versprochen. Daß Sie sich mit etwas anderem befassen werden.«
    »Ich muß also die Ermittlungen einstellen?«
    »Ja.«
    »Es handelt sich um einen Mordfall. Warum sind die Leute von der Inneren Sicherheit hinter mir und nicht: hinter dem Mörder her?«
    »Das hier ist kein gewöhnlicher Mordfall.«
    »Es gibt keine gewöhnlichen Morde.«
    »Also …« Der Parteisekretär schien aus der Fassung gebracht. »Sie haben sicher Ihre Argumente, aber andere Menschen haben auch ihre Argumente, Genosse Oberinspektor.«
    »So?«
    »Hier kommt alles auf den richtigen Zeitpunkt an. Glauben Sie, daß bei dem gegenwärtigen politischen Klima Ihre Ermittlungen hilfreich für das Ansehen der Partei sind?« Um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, legte Li eine Pause ein, bevor er weitersprach: »Wer ist in den Fall verwickelt? Eine nationale Modellarbeiterin und der verheiratete Sohn eines hohen Kaders, die miteinander Ehebruch begangen haben, wenn Ihre Hypothese stimmt. Was würden die Menschen denken? Eine ideologische Bankrotterklärung! Schlimmer noch, die Menschen würden die Kinder hoher Kader als Produkt unseres Parteisystems ansehen und den Kadern der alten Generation die Schuld für alle Probleme geben. Einige würden dies sogar benutzen, um die Regierung zu verleumden. Nach den Ereignissen auf dem Platz des Himmlischen Friedens im letzten Sommer ist der Glaube vieler Menschen an unser sozialistisches System noch immer erschüttert.«
    »Wäre das wirklich so gravierend?« fragte Chen. »Angesichts von Wus Herkunft würden unsere Medien wahrscheinlich überhaupt nicht über den Fall berichten. Ich glaube auch nicht, daß die Menschen so reagieren würden, wie Sie vermuten.«
    »Aber die Möglichkeit besteht. Politische Stabilität ist zur Zeit das höchste Gebot, Genosse Oberinspektor Chen. Offiziell werden die Ermittlungen weitergehen, und die Verantwortung dafür liegt weiterhin bei uns«, fuhr der Parteisekretär fort. »Aber wenn Sie nicht aufhören, können Sie sicher sein, daß die von der Inneren Sicherheit parallel ermitteln werden.
    Wenn es nötig ist, werden sie Ihre Ermittlungen mit jeder Beschuldigung blockieren, die sich gegen Sie finden läßt.«
    »Parallele Ermittlungen, ich verstehe.«
    »Sie dürfen diesen Leuten keinen Anlaß geben, den sie als Aufhänger benutzen können. Die reißen Ihnen sonst den Kopf ab.«
    Oberinspektor Chen wußte nur zu gut, daß er genug Anlässe geboten hatte. Nicht nur die Reise nach Guangzhou.
    Der Parteisekretär schien angestrengt nachzudenken. »Im übrigen erklärt Ihre Hypothese vielleicht einige Tatsachen«, sagte Li, »aber es gibt keinen Au genzeugen. Keine Tatwaffe. Keine eindeutigen Beweise, die vor Gericht Bestand haben. Sie haben lediglich Indizienbeweise, die im wesentlichen nur eine einfallsreiche Theorie stützen. Warum sollte Wu Guan umgebracht haben? Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, Genosse Oberinspektor Chen, ist die Fortsetzung der Ermittlungen somit durch nichts gerechtfer tigt.«
    »Weil sie«, sagte Chen bitter, »politisch nicht erwünscht sind.«
    »Betrachten Sie den Fall als abgeschlossen, wenigstens zur Zeit. Das müssen wir gar nicht an die große Glocke hängen. Warten wir ab. Wenn der politische Wind aus anderer Richtung weht oder wenn Sie an unwiderlegbare Beweise kommen oder das Motiv herausfinden, reden wir wieder darüber.«
    »Und wenn sich das Klima nicht ändert, Genosse Parteisekretär?«
    »Sie möchten, daß sich das ganze System Ihnen beugt, Genosse Oberinspektor?« fragte Li und runzelte dabei die Stirn. »Ich denke, ich habe mich klar ausgedrückt: Ich möchte offiziell nicht bekanntgeben, daß Sie nicht länger mit dem Fall betraut sind. Ja, ich habe Sie in die Partei eingeführt, aber als Parteimitglied muß ich vor allem die Interessen der Partei schützen. Auch Sie sind Parteimitglied.«
    Chen kam zu dem Schluß, daß weiteres Argumentieren sinnlos war, und machte keine Einwendungen mehr. »Ich verstehe, Parteisekretär Li«, sagte er

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