Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
Vom Netzwerk:
begrüßte Kommissar Zhang respektvoll wie immer. Zhang hielt nicht viel von Chen, schon mehrmals hätte er ihn fast als Liberalen gebrandmarkt.
    »Dieser Fall ist politisch äußerst brisant, Genossen«, sagte Parteisekretär Li einleitend. »Deshalb haben wir die heutige Sitzung einberufen. Eben hat mich der Bürgermeister persönlich angerufen. Er glaubt, es könne sich um einen ernsten politischen Fall handeln. Folgendes hat er mir aufgetragen: ›Tun Sie Ihr Bestes und lösen Sie diesen Fall so rasch wie möglich. Die Stadtverwaltung unterstützt Ihre Arbeit. Vermeiden Sie Pressekonferenzen. Enthüllen Sie keine Einzelheiten über ihren Tod.‹«
    Chen staunte. Die Tote war eine wichtige Person gewesen, ihr Name war häufig in der Presse erwähnt worden, auch im Fernsehen war sie oft zu sehen gewesen. So wichtig aber, daß der Bürgermeister persönlich im Präsidium anrief, und noch dazu so rasch, war sie doch nicht gewesen.
    »Aber es handelt sich um einen Mordfall«, sagte der Hauptwachtmeister Yu.
    Der Parteisekretär fuhr fort: »Genossen, uns muß klar sein, daß Genossin Guan vermutlich aus politischen Gründen ermordet wurde. Sie war ein allseits bekanntes Vorbild für das ganze Land, ihr tragischer Tod ist ein bedeutender Verlust für unsere Partei und ein symbolischer Schlag gegen die öffentliche Sicherheit unserer sozialistischen Gesellschaft.«
    Nun ging der Parteisekretär aber zu weit, dachte Chen. Als Funktionär kannte sich Li bei Mordfällen nicht besonders gut aus. Doch andererseits war Li ja vielleicht gerade deshalb Parteisekretär, weil er in der Lage war, in allem etwas Politisches zu sehen.
    »Außerdem könnten die Umstände ihrer brutalen Ermordung dem Bild der Reinheit schaden, das unsere große Partei vertritt.«
    Dies leuchtete auch Chen ein, er nickte. Den Parteibehörden war es natürlich lieber, die Details dieses Mordes zu verschweigen. Das Bild des nackten Körpers der nationalen Modellarbeiterin Guan, mißbraucht und erwürgt, paßte ganz und gar nicht zu dem hehren Vorbild im grauen Mao-Anzug.
    Chen meinte, in Yus Gesicht den Anflug eines Lächelns wahrzunehmen.
    »Deshalb wird nun eine Sondergruppe gebildet. Oberinspektor Chen wird diese Gruppe leiten, Hauptwachtmeister Yu ist Chens Assistent. Außerdem wird Kommissar Zhang bei den Ermittlungen beratend zur Seite stehen.«
    »Und wenn es sich doch nur um einen einfachen Mord handelt?« fragte Yu dickköpfig.
    »Wenn es sich als ein solcher erweist, dann werden wir ihn natürlich auch aufklären. Wir müssen nur in alle Richtungen denken. Die Gruppe wird auch ein eigenes Budget erhalten. Wenn weitere Mitarbeiter nötig sind, kann Oberinspektor Chen mich darum bitten.«
    Vielleicht lag darin das Geheimnis von Lis Erfolg, dachte Chen. Er gab eine Menge politischen Unsinn von sich, war sich dessen aber durchaus bewußt. Und er vergaß nie, ein paar unpolitische Worte hinzuzufügen, Worte, die etwas mehr bedeuteten, und dies unterschied ihn von anderen Parteikadern.
    Parteisekretär Li kam zum Schluß. »Wie Sie alle wissen, ist dieser Fall in mancher Hinsicht ziemlich heikel. Deshalb müssen wir äußerst behutsam vorgehen. Üben Sie Zurückhaltung der Presse gegenüber! Alles, was zu unnötigen Spekulationen führt, ist unserer Arbeit abträglich.«
    »Ich verstehe Sie voll und ganz, Genosse Parteisekretär.« Zum erstenmal ergriff nun Chen das Wort. »Mit dem Genossen Kommissar Zhang als Berater werden wir unser Bestes geben und den Fall lösen.«
    Nach der Besprechung unterhielten sich Chen und Li noch einmal unter vier Augen.
    »Ich möchte, daß Sie gute Arbeit leisten«, sagte Li. »Der Fall mag nicht leicht zu lösen sein, doch ein erfolgreicher Abschluß wird auch bei den höheren Ebenen Aufmerksamkeit erregen.«
    »Ich verstehe, aber Kommissar Zhang …« Chen beendete diesen Satz nicht.
    Zhang galt allgemein als der orthodoxeste Parteikommissar im Präsidium, ein politischer Konservativer der alten Schule.
    »Kommissar Zhang hat das Rentenalter erreicht«, sagte Li, »aber bei unserer Inflation und dem steigenden Lebensstandard fällt es manchem schwer, von seiner Pension zu leben. Deshalb haben die Parteibehörden eine neue Regelung für die alten Genossen gefunden: Fraglos müssen auch sie gemäß den Pensionsregeln für Kader in den Ruhestand treten, doch solange sie gesund sind, können sie eine altersangemessene Nebenbeschäftigung ausüben. So erhalten dann manche weiter ihr volles Gehalt. ›Berater‹ ist eine

Weitere Kostenlose Bücher