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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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bekommen hatte; manche dieser Dessous schienen nicht nur mit Spitze verziert zu sein, sondern fast ausschließlich daraus zu bestehen.
    Diesen augenfälligen Kontrast zwischen den beiden Schrankhälften konnte er sich nicht erklären. Guan war doch alleinstehend gewesen und hatte angeblich zum Zeitpunkt ihres Todes keinen festen Freund gehabt.
    Schließlich holte er die Fotoalben aus der Kommode und legte sie auf den Tisch. Neben einem hohen Wasserglas, in dem ein Strauß verwelkter Blumen stand, befanden sich ein Behälter für Stifte, eine kleine Tüte mit schwarzem Pfeffer und eine Flasche Mineralwasser. Offenbar hatte der Tisch gleichzeitig als Eßtisch, als Schreibtisch und als Küchentheke gedient.
    Es gab vier Alben. Im ersten klebten fast ausschließlich Schwarzweißfotos. Auf den meisten war ein rundliches, etwa sieben Jahre altes Mädchen mit Pferdeschwanz zu sehen. Meist grinste sie fröhlich in die Kamera, auf einem Foto blies sie die Kerzen auf einem Geburtstagskuchen aus, auf einem anderen stand sie zwischen einem Mann und einer Frau auf dem Bund. Das Foto zeigte den Mann nur verschwommen, die Frau recht deutlich, wahrscheinlich ihre Eltern. Fünf Seiten weiter trug sie dann einen roten Schal – eine junge Pionierin, die beim Hissen der fünfsternigen Flagge vor ihrer Schule salutierte. Die Aufnahmen waren chronologisch geordnet.
    Über einem kleinen Bild auf der ersten Seite des zweiten Albums verweilte Chen länger. Es war wohl Anfang der siebziger Jahre aufgenommen worden. Guan saß auf einem Stein am Ufer eines kleinen Sees; ein nackter Fuß baumelte im Wasser, der andere lag auf dem Knie; offenbar stach sie sich mit einer Nadel ein paar Blasen an ihrer Fußsohle auf. Im Hintergrund waren mehrere junge Leute mit einem Banner zu sehen, auf dem »Der lange Marsch geht weiter« zu lesen war; sie marschierten stolz auf die Pagode in Yan’an zu, die in der Ferne zu sehen war. In dieser Zeit der Kulturrevolution, der da chuan-lian-Periode, reisten die Roten Garden im ganzen Land umher und verbreiteten die Ideen des Vorsitzenden Mao zur »Weiterführung der Revolution unter der Diktatur des Proletariats«. In Yan’an hatte Mao vor 1949 gelebt, weshalb es später zu einem Wallfahrtsort für die Rotgardisten wurde. Guan mußte damals noch recht jung gewesen und eben erst in die Roten Garden aufgenommen worden sein. So saß sie nun da mit einer roten Armbinde und mit Blasen an den Füßen, jedoch bemüht, mit den Großen mitzuhalten.
    In der Mitte des zweiten Albums war sie zu einem jungen Mädchen mit einem hübschen, feingemeißelten Gesicht, großen mandelförmigen Augen und dichten Wimpern herangewachsen und ähnelte immer mehr der nationalen Modellarbeiterin Guan, wie sie später in vielen Zeitungen abgebildet wurde.
    Im dritten Album befanden sich Fotos aus Guans politischem Leben. Auf vielen sah man sie mit verschiedenen Parteigrößen auf der einen oder anderen Konferenz. Ironischerweise hätte man anhand dieser Aufnahmen auch die dramatischen Veränderungen der chinesischen Politik verfolgen können – manche Führer verschwanden, andere traten in den Vordergrund. Guan aber war auf allen Bildern dieselbe, in vertrauter Pose in das vertraute Blitzlicht blickend.
    Dann kam das letzte und dickste Album: Aufnahmen aus Guans Privatleben. Die Menge und die Vielfältigkeit dieser Fotos beeindruckte Chen immens; es gab Aufnahmen aus den verschiedensten Perspektiven, in den verschiedensten Kleidern, mit unterschiedlichstem Hintergrund: Guan in der Abenddämmerung, zurückgelehnt in einem Kanu, bekleidet mit einer gestreiften Bluse und dazu passendem Rock, das Gesicht ruhig und entspannt; Guan auf Zehenspitzen neben einer importierten Limousine in der Sonne; Guan auf den schlüpfrigen Brettern einer kleinen Brücke kniend und sich am nackten Fußknöchel kratzend, wobei sie sich ein wenig über die Brüstung gebeugt und das Gewicht ihres Körpers auf den rechten Fuß verlagert hatte; Guan durch ein Fenster auf einen dunstigen Horizont starrend, das Gesicht von wirrem Haar gerahmt, in der Ferne eine verschwommene Wolke samtener Rohrkolben auf einem Feld; Guan hoch auf den Stufen eines alten Tempels, um die Schultern einen durchsichtigen Plastikregenmantel, die Haare von einem Seidenschal bedeckt, den Mund halb geöffnet, als wollte sie gerade etwas sagen …
    Diese Bilder standen in krassem Gegensatz zu ihrem Modellarbeiterinnen-Image aus dem vorigen Album. Doch darüber hinaus beeindruckten sie den

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