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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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Straßenkomitees ist es meine Pflicht, Ihnen bei Ihrer Arbeit nach Kräften zu helfen«, erklärte Onkel Bao ernst.
    Das Straßenkomitee unterstand in gewisser Weise der Bezirkspolizei und führte teilweise, wenn auch inoffiziell, deren Anweisungen aus. Die Organisation war für alles verantwortlich, was außerhalb der Arbeitseinheiten passierte. Sie organisierte die wöchentlichen politischen Studien, überwachte die Anzahl der Menschen, die in dem Viertel lebten, leitete Kinderbetreuungsstätten, verteilte Essensmarken, wies Geburtenquoten zu, schlichtete Streitereien unter den Nachbarn oder den Familienmitgliedern und hatte ein Auge auf alles, was in dem Viertel vorging. Das Komitee war befugt, über jedes Individuum eine Akte anzulegen, und diese Berichte wurden mit dem Vermerk »Vertraulich« in den Polizeidossiers abgelegt. Die lokale Polizei konnte dank dieser Institution im Hintergrund bleiben und trotzdem alles gründlichst überwachen. Gelegentlich hatte das Straßenkomitee der Polizei auch schon geholfen, Verbrechen aufzuklären und Verbrecher dingtest zu machen.
    »Es tut mir leid, ich habe gar nicht gewußt, daß Sie ein Mitglied des Komitees sind«, sagte Chen. »Ansonsten hätte ich mich schon viel früher an Sie gewandt.«
    »Na ja, bis vor drei Jahren habe ich im Stahlwerk Nr. 4 gearbeitet, aber meine alten Knochen wären völlig eingerostet, wenn ich im Ruhestand den lieben langen Tag nichts getan hätte. Deshalb habe ich begonnen, im Komitee zu arbeiten. Außerdem verdient man sich so auch noch ein bißchen was dazu.«
    »Sie leisten einen wichtigen Beitrag für das Viertel«, sagte Chen.
    »Neben dem öffentlichen Telefondienst überwache ich auch die Sicherheit im Wohnheim«, sagte Onkel Bao. »Und auch hier in der Gasse. Heutzutage kann man gar nicht genug aufpassen.«
    »Ja, das stimmt«, sagte Chen. Im Moment läuteten zwei Telefone gleichzeitig. »Und Sie haben etwas zu tun.«
    Auf einem Holzregal hinter den kleinen Fenstern standen vier Telefone. Auf einem stand: »Nur für hereinkommende Anrufe«. Onkel Bao erklärte ihm, daß der öffentliche Telefondienst ursprünglich nur für die Bewohner des Wohnheims gedacht gewesen war, doch inzwischen konnten alle Bewohner der Gasse die Telefone für nur zehn Fen benutzen.
    »Wenn ein Anruf hereinkommt, schreibe ich den Namen und die Nummer, unter der der Anrufer erreicht werden kann, auf einen Notizblock, reiße die Seite heraus und reiche die Nachricht an den Empfänger weiter. Wenn es jemand ist, der hier im Wohnheim lebt, brauche ich nur unten an der Treppe seinen Namen zu rufen.«
    »Und wie machen Sie es bei den Leuten, die nicht hier wohnen?«
    »Ich habe eine Helferin. Sie stellt sich mit einem Megaphon unter ihre Fenster und ruft die Namen.«
    »Und dann kommen die Leute her und rufen zurück?«
    »Genau«, sagte Onkel Bao. »Erst wenn jeder ein eigenes Telefon hat, kann ich mich endlich zur Ruhe setzen.«
    »Onkel Bao!« Ein junges Mädchen mit einem grauen Megaphon in der Hand stürmte herein.
    »Das ist meine Helferin«, stellte Onkel Bao sie vor. »Xiuxiu, das hier ist Genosse Oberinspektor Chen. Oberinspektor Chen und ich müssen uns noch ein wenig unterhalten. Kannst du dich eine Weile allein um alles hier kümmern?«
    »Ja, natürlich.«
    »Eine richtige Arbeit ist das natürlich nicht für sie«, seufzte Onkel Bao und begleitete Chen über die Straße an den Tisch, an dem Chen gesessen hatte. »Aber momentan findet sie keine bessere.«
    Die fritierten Bällchen waren noch immer nicht fertig, die Suppe inzwischen kalt. Chen bestellte noch eine Schüssel für Onkel Bao.
    »Sind Sie denn mit Ihren Ermittlungen weitergekommen?«
    »Nicht sehr viel. Ihre Hilfe könnte sehr wichtig für uns sein.«
    »Ich helfe, wo ich kann.«
    »Da Sie jeden Tag hier sind, wissen Sie wahrscheinlich, wer hier häufig Besuch bekommt. Wie stand es mit Genossin Guan?«
    »Gelegentlich haben sie wohl ein paar Bekannte oder Kollegen besucht, aber viele waren es nicht. In den drei Jahren, die ich hier arbeite, habe ich sie nur ein- oder zweimal mit anderen Leuten gesehen.«
    »Was für Leute waren das?«
    »Daran erinnere ich mich nicht mehr. Tut mir leid.«
    »Hat sie denn oft telefoniert?«
    »Ja, das schon, mehr als die anderen Hausbewohner.«
    »Ist sie auch oft angerufen worden?«
    »Ja, auch das, würde ich sagen«, meinte Onkel Bao nachdenklich. »Aber für eine nationale Modellarbeiterin ist das schließlich nicht weiter verwunderlich, bei all den

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