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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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das richtig?«
    »Wu Xiaoming – ja, ich erinnere mich, der Fotograf vom Roten Stern. Einer von den Menschen, die Guan kannten. Das war eine Routinesache.« Yu zog ein Notizbuch aus der Tasche und blätterte durch ein paar Seiten. »Ich habe ihn zweimal angerufen. Er sagte, er hätte einige Aufnahmen von Guan gemacht. Die Bilder sind in der Volkszeitung erschienen. Ein politischer Auftrag. Gibt es da etwas Verdächtiges?«
    »Allerdings.« Chen nahm einen Schluck Tee, während er den neuesten Stand seiner Ermittlungen zusammenfaßte.
    »Das ist ja wirklich ein Ding!« sagte Yu. »Wu hat mich angelogen. Schnappen wir ihn uns.«
    »Wissen Sie etwas über seine Familie?«
    »Seine Familie?«
    »Sein Vater ist Wu Bing.«
    »Was sagen Sie da?«
    »Ja, kein anderer als Wu Bing, der Shanghaier Propagandaminister. Wu Xiaoming ist sein einziger Sohn. Er ist außerdem der Schwiegersohn von Liang Guoren, dem früheren Gouverneur der Provinz Jiangsu. Deshalb möchte ich hier mit Ihnen reden.«
    »Dieser Hund von einem Prinzling!« brach es aus Yu heraus, der dabei mit der Faust auf den Tisch schlug.
    »Was?« Chen schien von Yus Reaktion überrascht.
    »Diese Prinzlinge.« Yu bemühte sich, wieder ruhig zu werden. »Die bilden sich ein, daß sie sich alles erlauben können. Diesmal nicht. Lassen Sie uns einen Haftbefehl ausstellen.«
    »Bis jetzt wissen wir nur, daß zwischen Guan und Wu eine enge Beziehung bestand. Das reicht nicht.«
    »Da bin ich anderer Meinung. Es passen so viele Dinge zusammen«, entgegnete Yu und trank seinen Tee aus. »Wu hatte ein Auto, das seines Vaters. Also war es ihm möglich, ihre Leiche in den Kanal zu werfen. Der Plastiksack macht ebenfalls Sinn. Vom Kaviar ganz zu schweigen. Als verheirateter Mann mußte Wu ihre Beziehung geheimhalten, und Guan tat es aus demselben Grund. Darum war Guan so bemüht, ihr Privatleben zu verbergen.«
    »Aber das alles ist vor dem Gesetz noch kein hinreichender Beweis dafür, daß Wu Xiaoming den Mord begangen hat. Wir haben bis jetzt nur Indizienbeweise.«
    »Aber Wu hat uns Informationen vorenthalten. Das reicht doch aus, um ihn zu verhören.«
    »Genau das macht mir Sorge. Wir geraten mitten in die Politik, wenn wir uns Wu Bings Sohn vorknöpfen wollen.«
    »Haben Sie das mit Parteisekretär Li besprochen?«
    »Noch nicht«, antwortete Chen. »Li ist noch in Peking.«
    »Dann können wir’s tun, ohne ihn davon informieren zu müssen.«
    »Ja, das können wir, aber wir müssen mit Vorsicht operieren.«
    »Wissen Sie sonst noch etwas über Wu.’«
    »Nur das, was in diesen offiziellen Akten steht.« Chen zog einen Ordner aus seiner Aktentasche. »Nicht viel, allgemeine Hintergrundinformationen. Wenn Sie möchten, können Sie das morgen lesen.«
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gern jetzt einige Seiten lesen«, sagte Yu und zündete erst Chen und dann sich selbst eine Zigarette an.
    Yu begann, die im Ordner enthaltenen Unterlagen zu lesen. Am umfangreichsten war ein offizielles Dossier, das Chen vom Shanghaier Archiv bekommen hatte. Es enthielt nicht viel von unmittelbarem Interesse, war aber sorgfältiger zusammengestellt als gewöhnliche Archivakten, die Yu unter die Augen gekommen waren. Wu Xiaoming war 1949 geboren. Und zwar mit einem silbernen Löffel im Mund. Sein Vater Wu Bing war ein hoher Kader, der für die ideologische Arbeit der Partei verantwortlich war und in einer der luxuriösesten Villen von Shanghai lebte. In der Grundschule war Wu Xiaoming »dreifach guter« Schüler. Ein stolzer junger Pionier mit wehendem roten Tuch und dann Anfang der sechziger Jahre Mitglied der Jugendorganisation der Kommunistischen Partei mit einem goldenen Abzeichen, das in der Sonne schimmerte. Die Kulturrevolution veränderte alles. Wu Bings politischer Konkurrent, Zhang Chunqiao, ein Mitglied des Politbüros der Partei, ging gnadenlos gegen seine Gegner vor. Wu Xiaoming mußte erleben, daß seine Eltern in Handschellen aus der Villa abgeführt und ins Gefängnis geworfen wurden, wo seine Mutter elendiglich starb. Ohne ein Dach über dem Kopf mußten sich Wu und seine Schwester auf der Straße durchschlagen. Niemand wagte es, sich ihrer anzunehmen. Sechs oder sieben Jahre arbeitete er als landverschickter Jugendlicher in der Provinz Jiangxi. 1974 wurde ihm gestattet, wieder in den Shanghaier Kreis Qingpu zu ziehen, wofür als Grund der schlechte Gesundheitszustand seines Vaters angegeben wurde. In den späten siebziger Jahren wurde der alte Mann aus dem

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