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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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wagten sie sich auch in Geschäfte, obwohl sie nichts kauften. Gelegentlich endeten ihre Ausflüge damit, daß sie sich irgend etwas in einer billigen Imbißbude gönnten. Die meiste Zeit zogen sie jedoch durch eine Straße nach der anderen, spazierten ziellos herum, unterhielten sich laut und genossen ihre Freundschaft. So waren sie mit verschieden Teilen der Stadt vertraut geworden.
    Mit Ausnahme der Gegend um die Hengshan Lu, die sie nur aus Filmen aus der Zeit vor 1949 kannten, Filme über sagenhaft reiche Kapitalisten, importierte Autos, Chauffeure in Uniform, junge Dienstmädchen in schwarzen Kleidern, weißen Schürzen und mit gestärkten Häubchen. Einmal wagten sie sich in diese Gegend, aber sie fühlten sofort, daß sie hier nicht hingehörten.
    Nun, am frühen Morgen eines Junitages, befand sich Hauptwachtmeister Yu wieder dort. Er war kein Schuljunge mehr, aber die Atmosphäre der Gegend war immer noch drückend. Ein Soldat der Volksbefreiungsarmee hob die Hand zum Salut, als sie vorbeigingen.
    Die weiße Mauer, welche die Villa Wu umschloß, schien unverändert, nur daß sie hier und da von Efeu bewachsen war. Von der Straße aus konnte man kaum das mit roten Ziegeln gedeckte Dach zwischen den Baumwipfeln erkennen. Das Grundstück, auf dem sich die Villa befand, war riesig. Es stand zwar kein Soldat an dem schmiedeeisernen Gitter mit seinen gewundenen Spitzen, und doch schien alles um so mehr dem Eindruck von Shanghai zu entsprechen, den Yu von alten Filmen her kannte.
    Hauptwachtmeister Yu drückte auf die Klingel neben dem Tor.
    Kurz darauf öffnete eine Frau das Tor wenige Zentimeter. Sie war Mitte Dreißig und trug ein schwarz-weißes Oberteil mit passendem kurzem Rock. Ihre Augenlider waren mit falschen Wimpern und blauem Lidschatten geschminkt. Sie starrte sie fragend an: »Wer sind Sie?«
    »Wir sind vom Shanghaier Polizeipräsidium«, antwortete Yu und zückte kurz seinen Dienstausweis. »Wir müssen Wu Xiaoming sprechen.«
    »Erwartet er Ihren Besuch?«
    »Nein, das glauben wir nicht. Wir ermitteln in einem Mordfall.«
    »Folgen Sie mir. Ich bin seine jüngere Schwester.«
    Sie führte sie durch das Tor in ein wunderschönes dreigeschossiges Haus, das mit den Erkern und schlanken Spitztürmchen sowie den bei späteren Umbauten hinzugefügten Veranden und Wintergärten eher wie ein modernisiertes Schloß aussah. Der sehr große Rasen war gut gepflegt. Auf ihm prangten mehrere Blumenbeete. In der Mitte schimmerte hellblau und klar das Wasser eines muschelförmigen Schwimmbads.
    Sie folgten der Frau über eine Treppenflucht nach oben, durchquerten eine große Halle und kamen in einen riesigen Salon, an dessen linker Seite eine Wendeltreppe nach oben führte. Vor einem großen Kamin aus grünem Marmor standen ein schwarzes Ledersofa und ein Couchtisch mit einer dicken Glasplatte.
    »Nehmen Sie bitte Platz«, sagte sie. »Möchten Sie etwas trinken?«
    »Nein danke.«
    Tief im Sofa versinkend, nahm Yu, als er sich umsah, vage das Blumenarrangement auf dem Kaminsims wahr, den Teppich, der sich gegen das polierte Holz abhob, das sanfte Ticken einer Standuhr aus Mahagoniholz.
    »Ich werde Xiaoming sagen, daß Sie hier sind«, sagte sie und verschwand durch eine andere Tür.
    Wu Xiaoming kam sofort. Er war Anfang Vierzig, groß, mit breitem Brustkorb, sah aber sehr gewöhnlich aus. Seine Augen blickten genau wie die seiner Schwester scharf und mißtrauisch unter schweren Lidern hervor, und er hatte tiefe Fältchen um die Augenwinkel. Er hatte überhaupt nicht das künstlerische Gehabe eines Profifotografen. Es fiel Yu schwer, den Mann vor ihm mit dem Prinzling in Verbindung zu bringen, der Aufnahmen von Nacktmodellen gemacht hatte und der mit Guan und wohl noch mit zahlreichen anderen Frauen ins Bett gegangen war. Dann jedoch nahm Yu noch etwas anderes an Wus Auftreten wahr – nicht so sehr an seiner Erscheinung, sondern an seiner Ausstrahlung. Wu sah erfolgreich aus, er wirkte so selbstbewußt in seiner Art zu reden und in seinen Gesten; von ihm ging jenes physische Leuchten aus, das bezeichnend war für Menschen, die auf einer höheren Ebene Macht genossen und ausübten.
    War es vielleicht dieses Leuchten, das so viele Motten angezogen hatte?
    »Im Arbeitszimmer können wir uns besser unterhalten«, sagte Wu, als sie sich einander vorgestellt hatten.
    Wu ging ihnen durch die Halle in ein geräumiges Zimmer voran, das mit Ausnahme eines einzigen, an der Wand hängenden Bildes mit Goldrahmen, das

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