Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen
Lydia sich zu den Mädchen an den Tisch und räusperte
sich, um sie auf sich aufmerksam zu machen.
Augenblicklich wandten sich ihr zwei
neugierige Augenpaare zu.
Wieder räusperte Lydia sich. Es
würde nicht einfach sein, diesen Kindern, die sie ins Herz geschlossen hatte,
klarzumachen, daß sie sie nicht im Stich ließ, wenn sie das Haus verließ.
»Ich habe mit eurem Vater
gesprochen«, begann sie tapfer, »und wir sind uns einig, daß es besser wäre,
wenn ich in einem der Häuser auf Main Street lebte, weil wir nicht verheiratet
sind.«
Charlotte wandte den Blick ab, aber
Millie entgegnete verblüfft: »Wieso, Lydia, das ist doch ganz einfach! Ihr
braucht nur zu heiraten, dann kannst du bleiben, und Charlotte und ich hätten
eine Mutter.«
Lydias Herz zog sich schmerzhaft
zusammen. »Ich fürchte, so einfach ist das nicht. Ein Mann und eine Frau
sollten nicht heiraten, wenn sie sich nicht lieben.«
Charlotte biß sich auf die Lippe.
»Einige Leute finden, daß Papa gut aussieht«, sagte sie. »Er hat Geld und ein
großes Haus. Er schlägt niemanden und schreit nur selten. Könntest du nicht mit
der Zeit lernen, ihn zu lieben?«
Was ich lernen müßte, ist, ihn nicht zu lieben, dachte Lydia wehmütig. »Schon möglich«, gab sie jedoch nach
einer kleinen Pause zu. »Aber er müßte mich auch lieben, und das ist nicht der
Fall.«
Millie ließ die Schultern hängen.
»Oh.«
Charlottes bernsteinfarbene Augen
glänzten feucht. »Das ist ja schrecklich, Lydia! Ich hatte mich schon so an
dich gewöhnt.«
Lydia drückte den Mädchen
aufmunternd die Hände. »Es ist ja nicht so, als würden wir uns nicht mehr
sehen. Ihr kommt einfach von jetzt an jeden Morgen für den Unterricht zu mir
ins Haus.«
Charlotte verzog das Gesicht, aber
Millie beugte sich aufgeregt vor. »Könnten Anna und die anderen nicht auch mitkommen?«
Lydia lächelte. »Selbstverständlich.
Wir werden unsere eigene Schule haben, wir sieben, zuerst in meinem Wohnzimmer
und später im Gemeindehaus.«
»Das muß ich Anna erzählen!« Millie
sprang auf und rannte auf die Hoftür zu. »Wir werden eine Schule haben, eine
richtige Schule!« schrie sie und war verschwunden.
Charlotte blieb sitzen und seufzte
resigniert. »Dir wird es in Quade's Harbor bald zu langweilig sein«, meinte sie
traurig. »Und dann verläßt du uns, und wir werden noch einsamer sein als früher.«
Es lag Lydia auf der Zunge, dem Kind
zu versprechen, daß sie bleiben würde, aber sie wußte auch, daß sie nicht das
Recht hatte, ein solches Versprechen abzugeben. Brigham zahlte ihr Gehalt, und
einen anderen Arbeitgeber hätte sie nie gefunden, da Brig praktisch die ganze
Stadt gehörte. Wenn er die Geduld mit ihr verlor, konnte er sie einfach
fortschicken.
»Ich habe nicht vor, Quade's Harbor
zu verlassen, Charlotte«, antwortete sie. »Aber du bist jetzt eine junge Frau
und müßtest wissen, wie unberechenbar das Leben sein kann. Wenn ich dir
versprechen würde, hierzubleiben, könnte das Schicksal sich einen Spaß daraus
machen, mich als Lügnerin hinzustellen.«
Das veranlaßte Charlotte zu einem
leisen Lächeln. »Ja«, stimmte sie zu, »ich bin jetzt eine junge Frau, nicht
wahr? Bald schon werde ich alt genug zum Reisen sein, und dann mache ich mich
auf den Weg zu den fernen Ecken dieser Welt!« Sie brach ab und seufzte
verträumt. »Bestimmt werde ich einen Piraten heiraten, der so atemberaubend gut
aussieht, daß mein Herz schon schneller klopft, wenn ich ihn nur ansehe.«
Lydia schob lächelnd ihren Stuhl
zurück und beschloß, sich ihre Predigt über das allgemein recht niedrige
moralische Niveau von Piraten für später aufzusparen. Für den Augenblick
genügte es, daß Charlotte nicht zu niedergeschlagen über ihren bevorstehenden
Auszug war.
Brigham sagte sich, daß er froh über Lydias
Entscheidung war, in die Main Street umzuziehen. Ich habe auch ohne sie schon
genug um die Ohren, dachte er.
Er schickte seine größten Wagen und
zwei Männer zum Haus, um Möbel und Hausrat für Lydia abholen zu lassen. Sie
sollten sich nach Miss McQuires Anweisungen richten, trug er ihnen auf, und
alles aufladen, was sie mitzunehmen wünschte.
Das Kreischen der Sägen verursachte
Brigham Kopfschmerzen, und er zog sich in sein Büro zurück und schloß die Tür.
Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch, um in Ruhe über alles nachzudenken,
was ihn beschäftigte und belastete.
Seine größte Sorge war natürlich
Devon. Der Arzt schien überzeugt, daß Devon bald
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