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Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz

Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz

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Annie, obwohl
ihr natürlich klar war, daß viele dieser alten Lebensweisen schrecklich
unmoralisch waren. Aber gemeinsam mit ihnen würden auch die guten und
angenehmen Traditionen des höfischen Lebens untergehen. Selbst wenn Rafael die
Revolution überlebte — und er schien entschlossen, es nicht zu tun —, würde er
ein Prinz ohne Land sein. Seine gesamte Geschichte würde ausgelöscht werden,
und das war eine Konsequenz, die nicht so leichtfertig zu übersehen war.
    Als Annie stumm blieb, schaute
Lucian sich über die Schulter nach ihr um und schien zu erraten, was sie
beschäftigte.
    »Seien Sie nicht traurig, Annie«,
meinte er leise, blieb stehen und drehte sich auf dem schmalen Gang, um sie
anzusehen. »Es ist besser so. Selbst Rafael würde es Ihnen sagen.«
    Annie trat einen Schritt zurück,
geblendet vom Licht der Laterne und aus jähem Argwohn gegen Lucians Absichten.
»Mag sein«, erwiderte sie nervös. »Aber es gibt dennoch viele Dinge, um die es
sich zu trauern lohnt.«
    »Sie haben Angst vor mir«, stellte
Lucian traurig fest. »Das brauchen Sie nicht, Annie. Ich würde nie etwas tun,
was Sie verletzten könnte.«
    Ein kurzes Schweigen entstand
zwischen ihnen, dann fragte Annie: »Gibt es eigentlich Geheimgänge in dieser
Burg?«
    Lucian lachte leise. »Folgen Sie
mir, meine Liebe, dann werde ich Ihnen tausend Wege aus St. James zeigen, die
nicht einmal Rafael kennt.«
    Annie biß sich auf die Unterlippe.
Sie hatte darum gebeten, Geheimgänge zu sehen, und nun sollte ihr Wunsch
erfüllt werden. Trotz allem jedoch konnte sie nicht umhin, eine unleugbare
Schlußfolgerung zu treffen: Wenn es tausend Wege aus der Burg gab, mußte es
ebenso viele Wege hinein geben. Und falls Rafael sie tatsächlich nicht
kannte, wie Lucian behauptete, würde sie sie ihm persönlich zeigen, jeden
einzelnen.
    Trotz Spinnweben, Moder, den leisen
Geräuschen vorbeihuschender Ratten und ihrer eigenen Bedenken hinsichtlich
ihrer ungewissen Zukunft empfand Annie den Ausflug in die unterirdischen
Gewölbe der Burg als ungemein interessant. Neben zahlreichen Nischen und
Zellen, die als Verstecke dienen konnten, wies Lucian sie auf mehrere Tunnel
hin, die aus der Burg hinausführten. Einige verliefen unter dem Garten,
erklärte er, während andere unter den Bodendielen verschiedener Außengebäude endeten.
    »Vorausgesetzt natürlich, daß Teile
dieser Tunnel nicht im Laufe der Jahrhunderte längst eingestürzt sind«,
schränkte Lucian ein, als er Annies interessierten Blick sah. »Und daß die
Holzböden, die inzwischen längst verrottet sein müßten, nicht durch Kacheln
oder Steinplatten ersetzt wurden.«
    Annie schaute in den Tunnel, den ihr
Begleiter öffnete, indem er einen alten Weinschrank beiseite schob. Es war
dunkel in dem Gang, vermutlich hausten dort Ratten und anderes Ungeziefer, und
im übrigen war er kaum groß genug, um einem erwachsenen Menschen Platz zu
bieten, selbst wenn dieser dicht über den Boden kroch.
    Aber nichts war unmöglich, wenn die
Notwendigkeit auftrat und man nur genug Entschlossenheit besaß ... Annies
eigene Mutter, Charlotte Trevarren, war einmal auf ähnliche Weise dem Verlies
eines Sultans entflohen.
    »Der Gang steckt bestimmt voller
alter Knochen«, bemerkte Lucian, und Annie erschauerte.
    Sie drehte sich zu ihm um, die Arme
um den Oberkörper geschlungen, als fröre sie, aber es waren Männer wie Jeremy
Covington, die sie fürchtete, keine Skelette oder Totenschädel. »Ich glaube,
ich habe genug gesehen«, meinte sie mit einem Blick auf ihr Kleid, das
verdorben war von Staub, Spinnweben und der Feuchtigkeit, die an den Wänden
klebte.
    Die Laterne noch immer in der einen
Hand, zog Lucian mit der anderen seine Taschenuhr hervor und warf stirnrunzelnd,
als sei er verärgert, einen Blick darauf. »Halb eins. Ich hoffe, daß wir das
Mittagessen nicht verpaßt haben.«
    Annies Magen knurrte, als wolle er
mit dem Donner konkurrieren, den sie früher am Tag gehört hatten. »Das hoffe
ich auch«, stimmte sie zu.
    Lucian geleitete sie in die Halle
zurück, wo ihre Odyssee begonnen hatte, und dort trennten sich ihre Wege -
Annie stieg die Treppe hinauf, und Lucian schlenderte auf den regennassen Hof
hinaus.
    Fünfzehn Minuten später, als Annie
sich gewaschen und Staub und Spinnweben aus ihrem Haar entfernt hatte, es neu
geflochten und sich umgezogen hatte, ging sie zum Speisesaal hinunter. Lucian
war nirgendwo zu sehen - trotz seines angeblich großen Hungers, während Rafael
bereits am

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