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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Mobs.«
    »Warum sollte man sich auf die lange Reise mitten in den Pazifik machen, wenn man dasselbe in jeder anderen Stadt der Welt betreiben kann? Oder glauben Sie, wir hätten alle diese Mühen nur auf uns genommen, um Herr der Fliegen spielen zu können?«
    »Nicht absichtlich. Aber wenn es in Sydney dazu kommt, wird die Bereitschaftspolizei losgeschickt. Und in Los Angeles kommt die Nationalgarde zum Einsatz.«
    »Wir haben eine ausgebildete Miliz, die die Rückendeckung fast der gesamten Bevölkerung besitzt, im Notfall Menschen und Lebensgrundlagen zu schützen.« Er grinste. »›Notfallgenehmigung‹, ›Schutz der Lebensgrundlagen‹. Klingt fast wie zu Hause, nicht wahr? Nur daß ein solcher Notfall niemals eingetreten ist.«
    »Gut. Aber warum nicht?«
    Munroe massierte sich die Stirn und blickte mich an, als wäre ich ein Kind, das ständig neue Fragen stellte. »Der gute Wille? Intelligenz? Eine unbekannte außerirdische Macht?«
    »Lassen Sie die Scherze.«
    »Einige Dinge sind offensichtlich. Die Menschen, die hierher kommen, weisen ein überdurchschnittliches Maß an Idealismus auf. Sie wollen, daß Stateless funktioniert, andernfalls wären sie gar nicht gekommen – abgesehen von einem gelegentlichen unverbesserlichen agent provocateur. Sie sind zur Kooperation bereit. Ich meine nicht, in einem gemeinsamen Schlafsaal zu wohnen, sich einzureden, daß wir alle nur eine große Familie sind und in der Gruppe mit einer gemeinschaftlichen Hymne auf den Lippen zur Arbeit zu ziehen – obwohl es hier auch solche Dinge gibt. Sie sind einfach bereit, flexibler und toleranter als der Durchschnittsbürger zu sein, der sich anderswo niederläßt… weil es genau darum geht.
    Hier gibt es keine so große Konzentration von Reichtum und Macht wie anderswo. Vielleicht ist das nur eine Frage der Zeit – aber wenn die Macht so stark dezentralisiert ist, ist es sehr schwer, sich Macht zu erkaufen. Ja, wir haben Privatbesitz, aber die Insel, die Riffs und das Wasser sind Gemeinschaftsgüter. Syndikate, die Nahrung gewinnen und weiterverarbeiten, geben ihre Waren gegen Geld ab, aber sie haben kein Monopol. Hier gibt es viele Menschen, die ihre Nahrung direkt aus dem Meer holen.«
    Ich blickte mich frustriert auf dem Platz um. »Also gut. Sie führen keine Straßenschlachten und Plündereien durch, weil niemand hungert und niemand unangemessen reich ist – noch nicht. Aber glauben Sie wirklich, daß es so bleiben wird? Die nächste Generation wird nicht mehr aus eigener Entscheidung hier leben. Was wollen Sie mit ihr machen – ihr Toleranz indoktrinieren und auf das Beste hoffen? Das hat noch nie funktioniert. Bislang endete jedes andere vergleichbare Experiment in Gewalt, die Gemeinschaften wurden erobert oder absorbiert… oder aufgegeben und in Nationalstaaten umgewandelt.«
    »Natürlich versuchen wir«, sagte Munroe, »unsere Wertvorstellungen an unsere Kinder weiterzugeben, genauso wie jeder andere auf diesem Planeten. Und mit schätzungsweise dem gleichen Erfolg. Aber zumindest werden die meisten Kinder hier bereits im frühen Alter in Soziobiologie unterrichtet.«
    »Soziobiologie?«
    Er grinste. »Das ist sinnvoller als Bakunin, glauben Sie mir. Die Menschen werden niemals einer Meinung sein, wie eine Gesellschaft organisiert sein sollte. Warum sollten sie auch? Aber sofern Sie nicht zu denEdeniten gehören, die an die Existenz eines ›natürlichen‹, von Gaia gegebenen utopischen Zustands glauben, zu dem wir alle zurückkehren sollten, bedeutet die Annahme irgendeiner Form von Zivilisation, daß man sich für eine bestimmte Art entscheidet – im Gegensatz zur passiven Hinnahme –, wie wir auf dies Tatsache reagieren, daß wir nun einmal Tiere mit bestimmten angeborenen Verhaltensweisen sind. Und ganz gleich, ob diese Reaktion im subtilsten Kompromiß oder der heftigsten Opposition besteht, es ist auf jeden Fall hilfreich, wenn man genau weiß, womit man sich arrangieren oder wogegen man opponieren will.
    Wenn die Menschen verstehen, welche biologischen Kräfte in ihnen selbst und in allen ihren Mitmenschen wirken, haben sie zumindest die Chance, intelligente Strategien zu entwickeln, wie sie ihre Interessen mit einem Minimum an Konflikten durchsetzen können… statt blind herumzutappen und nur von romantischen Mythen und Wunschvorstellungen getrieben zu werden, die auf irgendwelche toten politischen Philosophen zurückgehen.«
    Das mußte ich erst einmal einsinken lassen. Ich hatte schon zahllose

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