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Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
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macht es
ihr leichter. »Er war kein Gründer. Er hat uns geschickt getäuscht. Aber er war
kein Chen und auch kein Chitragupta«, sagt das Bewusstsein.
    »Ich rede nicht von ihm«, flüstert Mieli. »Du bist erledigt «, fährt sie dann fort. »Du hast die Große
Gemeinsame Aufgabe behindert. Aber aus Barmherzigkeit gebe ich dir eine Chance,
aus freien Stücken zu sprechen und Wiedergutmachung zu leisten, bevor du ins
Vergessen sinkst.«
    Der Wasilew lacht wieder. »Wem du dienst, ist mir egal; du bist ein
schlechter Diener. Warum verschwendest du Worte, um herauszufinden, was in
meinem Geist vor sich geht? Mach dich ans Werk, mit deinem Geschwätz stiehlst
du nur einem Gründer die Zeit.«
    Empört bringt Mieli das Ding zum Schweigen. Dann holt sie den
Gogol-Chirurgen aus ihrem Metakortex und schickt ihn an die Arbeit. Er sperrt
den Wasilew in eine Sandkiste und beginnt zu schneiden, trennt höhere
Bewusstseinsfunktionen ab und teilt Lohn und Strafe aus. Er pervertiert
sozusagen die Arbeit eines Bildhauers; er sucht nicht die Form im Stein,
sondern bricht ihn in Stücke und setzt sie zu einer neuen Form zusammen.
    Was der Gogol-Chirurg zutage fördert, sind kalte Messergebnisse
assoziativen Lernens in simulierten Neuronenpopulationen. Nach einer Weile
bringt Mieli auch die zum Schweigen. Sie schafft es gerade noch bis ins
Badezimmer, dann kommt ihr alles hoch, und sie gibt die stinkenden und
unverdauten Reste des Mittagessens von sich.
    Mit einem sauren Geschmack im Mund kehrt sie zu dem Wasilew zurück.
    »Hallo, Schätzchen«, empfängt er sie unerwartet euphorisch. »Was
kann ich für dich tun?«
    »Als Erstes kannst du mir alles erzählen, was du über Jean le
Flambeur weißt«, sagt Mieli.
    Raymonde kommt spät und überquert Hand in Hand mit einem
hochgewachsenen, gut aussehenden Mann mit Löwenmähne, der jünger ist als sie,
demonstrativ die kleine Agora. Er gibt ihr einen Abschiedskuss. Dann winkt sie
mir zu. Ich stehe auf und rücke ihr den Stuhl zurecht, damit sie sich setzen
kann. Sie lässt es sich mit einer gewissen Arroganz gefallen.
    Ich sitze schon eine ganze Weile unter dem Heizstrahler vor dem
Restaurant, das sie ausgesucht hat. Es ist ein seltsames kleines Lokal, außen
mit schlichten Glastüren und einem leeren Schild, aber drinnen ein wahrer
Rausch von Farben und exotischen Objekten: Krüge mit seltenen Tierpräparaten,
Glasaugen und leuchtend bunte Gemälde. Ich habe unsere erste Begegnung immer
wieder ablaufen lassen und mir überlegt, worauf sie reagiert hat – nicht auf
das Rätsel, sondern auf die Plänkeleien. Ich habe sogar mein Aussehen leicht
verändert, nichts, was nicht mit weiter geöffnetem Gevulot zu erklären wäre,
aber so, dass ich ein klein wenig mehr wie ein Schelm wirke. Es reicht aus, um
ihr Lächeln um ein Grad wärmer zu machen.
    »Wie war die Stunde?«
    »Gut. Die Tochter eines jungen Paares. Viel Potenzial.«
    »Und Potenzial ist das Wichtigste überhaupt. Wie in Ihrer
Komposition.«
    »Nicht unbedingt«, sagt sie. »Ich habe nachgedacht. Sie bluffen . Mit dem Stück ist alles in Ordnung. Sie sollten
bedenken, wir sind hier in der Oubliette, und ich bin ein hübsches Mädchen. Das
heißt, solche Dinge passieren am laufenden Band. Sie
legt den Kopf schief und lässt ihr Haar herabhängen. »Ein geheimnisvoller
Fremder. Eine Zufallsbegegnung. Ernsthaft? Das ist doch ein alter Hut.«
    Sie rattert für die Kellnerdrohne zwei Bestellungen herunter.
    »Ich hatte mir die Speisekarte noch gar nicht richtig angesehen«,
sage ich.
    »Papperlapapp. Sie nehmen das Teryaki-Zebra. Es schmeckt
ausgezeichnet.«
    Ich spreize schicksalsergeben die Hände. »Na schön. Ich dachte, man
macht es hier so. Warum waren Sie denn trotzdem bereit, mit mir auszugehen?«
    »Vielleicht bin ich es, die Sie schon seit Längerem verfolgt?«
    »Vielleicht.«
    Sie holt sich eine Olive aus dem Vorspeisenschälchen und deutet mit
dem Zahnstocher auf mich. »Sie waren nicht unhöflich. Sie hatten nur Ihr
Gevulot nicht allzu fest im Griff. Sie sind ganz eindeutig nicht von hier. So
etwas ist immer interessant. Und jetzt sind Sie mir etwas schuldig. Das ist
immer praktisch.«
    Verdammt . Ich schicke eine Anfrage an die
Piraten-Software. Die versucht immer noch, Öffnungen in ihrem Gevulot zu
finden, aber ohne großen Erfolg. Sie versteht sich
darauf offensichtlich sehr viel besser.
    »Schuldig im Sinne der Anklage. Ich habe mir eine
Staatsangehörigkeit gekauft. Ich komme von Ceres, das ist im Gürtel.«

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