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Quarantaene

Quarantaene

Titel: Quarantaene Kostenlos Bücher Online Lesen
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war stärker geworden. Chris fuhr zusammen, als er nach draußen trat. Er war in Südkalifornien geboren und aufgewachsen, und obwohl er lange Zeit im Osten gelebt hatte, waren diese strengen Wintertage noch immer ein Schock für ihn. Es war ja nicht lediglich schlechtes Wetter, dieses Wetter konnte tödlich sein. Man brauchte nur den falschen Weg einzuschlagen, sich verirren, und man wäre noch vor Sonnenaufgang an Unterkühlung gestorben.
    »Es ist schlimm dieses Jahr«, gab Charlie zu. »Man sagt, es würde an den schrumpfenden Polkappen liegen, wegen all dem kalten Wasser, das in den Pazifik fließt. Das sind jetzt diese aufgeladenen kanadischen Kaltfronten, die über uns hinwegziehen. Man gewöhnt sich nach einiger Zeit dran.«
    Kann schon sein, dachte Chris. So wie man sich daran gewöhnt, im Belagerungszustand zu leben.
    Charlie Grogans Auto stand auf dem überdachten Parkplatz, angeschlossen an eine Ladebuchse. Chris glitt dankbar auf den Beifahrersitz. Es war ein Junggesellenauto: der Rücksitz voller alter Fachzeitschriften und Hundespielzeug. Sobald Charlie vom Parkgelände heruntersetzte, geriet der Wagen auf dem verdichteten Schnee erst einmal ins Schlingern, bevor die Reifen griffen. Grell schimmernde Schwefellampensäulen markierten den Weg zur Hauptstraße wie Wachposten, in Schneewirbel gehüllt.
    »Es könnte jederzeit zu Ende gehen«, sagte Chris. »Ein bisschen so wie die Quarantäne. Die könnte auch aufhören. Tut sie aber nicht.«
    »Haben Sie Ihren kleinen Recorder schon ausgeschaltet?«
    »Ja. Sie meinen, ob dies für die Öffentlichkeit bestimmt ist? Nein, es ist nur Konversation.«
    »Wenn ein Journalist so etwas sagt …«
    »Ich arbeite nicht für die Boulevardpresse. Ehrlich, ich rede nur so vor mich hin. Wir können uns auch weiter über das Wetter unterhalten, wenn Ihnen das lieber ist.«
    »Sollte keine Beleidigung sein.«
    »Ist auch nicht so aufgefasst worden.«
    »Sie haben sich mit dieser Galliano-Sache ein bisschen die Finger verbrannt, stimmt’s?«
    Na, wer wird denn jetzt persönlich? Er hatte aber das Gefühl, dass er diesem Mann eine ehrliche Antwort schuldete. »Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann.«
    »Wenn man unschmeichelhafte Sachen über einen Nationalhelden sagt, geht man ein gewisses Risiko ein, nehme ich an.«
    »Es war nicht meine Absicht gewesen, seinen Ruf zu beschädigen. Dass es so gekommen ist, hat er sich großenteils selbst zuzuschreiben.« Ted Galliano war vor zwanzig Jahren landesweit bekannt geworden, als er eine neue Familie von antiviralen Breitbandmedikamenten hatte patentieren lassen. Außerdem hatte er ein Vermögen gemacht, indem er einen neuartigen Pharmakonzern gründete, der diese Patente vermarktete. Galliano war der Prototyp des Wissenschaftlerunternehmers des 21. Jahrhunderts – so wie Edison oder Marconi im neunzehnten, auch sie Produkte des geschäftlichen Umfelds ihrer Zeit, auch sie brillant und clever. Ebenso wie Edison oder Marconi war er zu einem Helden der Öffentlichkeit geworden. Er hatte die besten Leute aus der Genomik und Proteomik für sich angeworben. Ein Kind, das heute im Continental Commonwealth geboren wurde, hatte eine Lebenserwartung von hundert oder noch mehr Jahren, und dies war zu nicht geringen Anteilen Gallianos antiviralen und antigeriatrischen Medikamenten zuzuschreiben.
    Was Chris aufgedeckt hatte, war die Tatsache, dass Galliano ein rücksichtsloser und mitunter auch skrupelloser Geschäftsmann war – wie seinerzeit Edison. Er hatte in Washington antichambriert, um sich umfassenden Patentschutz zu sichern; er hatte Konkurrenten aus dem Markt verdrängt oder sie im Zuge von dubiosen Fusionen und undurchsichtigen Übernahmen geschluckt; schlimmer noch, Chris hatte diverse Quellen aufgetan, die davon überzeugt waren, dass Galliano sich an offensichtlich illegalen Aktienmanipulationen beteiligt hatte. Sein letztes großes Geschäftsprojekt war ein genomischer Impfstoff gegen arteriosklerotische Plaque gewesen – noch unausgereift, aber viel diskutiert, und die Aussicht darauf, wie übertrieben sie auch sein mochte, hatte Gallianos Aktien in Schwindelerregende Höhen getrieben. Am Ende war die Blase geplatzt, doch nicht bevor Galliano und seine Freunde äußerst profitabel verkauft hatten.
    »Konnten Sie irgendetwas davon beweisen?«
    »Letzten Endes nicht. Wie auch immer, ich hatte das Ganze gar nicht als Enthüllungsbiografie aufgefasst. Er war einglänzender Wissenschaftler. Als das Buch erschien, ist es

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