Quarantaene
zu stecken.
Marguerite mochte nicht begreifen, wie ein so offensichtlich anständiger Mensch wie Chris Carmody sich seiner so unsicher sein konnte, während ein anerkanntes Arschloch wie Ray im Glanz seiner eigenen verbissenen Selbstgerechtigkeit durch die Gegend stolzierte. Eine Zeile aus einem Gedicht, das sie an der Highschool gelesen hatte, fiel ihr ein: Die Besten sind des Zweifels voll, die Ärgsten / Sind von der Kraft der Leidenschaft erfüllt …
Chris fuhr auf den fast leeren Parkplatz der Ambulanz. Die Sonnenwende lag hinter ihnen, die Tage wurden wieder länger, aber es war immer noch Februar und die wässrige Sonne näherte sich bereits dem Horizont. Auf dem Weg zum Eingang nahm er ihre Hand.
Der Empfang war nicht besetzt, doch als Chris auf die Klingel drückte, erschien kurz darauf eine Krankenschwester. Ich kenne diese Frau, dachte Marguerite. Diese lebhafte, pummelige Frau in der weißen Schwesterntracht war Amanda Bleilers Mutter, ein von der morgendlichen Kinderablieferung an der Schule her vertrautes Gesicht. Wie hieß sie mit Vornamen? Roberta? Rosetta?
»Marguerite.« Die Frau hatte sie erkannt. »Und Sie müssen Chris Carmody sein.« Chris hatte ihr Kommen telefonisch angekündigt.
»Rosalie«, fiel ihr der Name gerade noch rechtzeitig wieder ein. »Wie geht’s Amanda?«
»Ganz gut, unter den Umständen.« Die Umstände der Abriegelung waren gemeint. Der Umstand, dass draußen vor dem Begrenzungszaun Leichen unter dem Schnee begraben waren. Rosalie wandte sich Chris zu. »Wenn Sie bei Mr. Sandoval reinschauen wollen, ist das okay, ich habe das mit Dr. Goldhar geklärt, aber erwarten Sie halt nicht zu viel, okay? Und es kann nur ein kurzer Besuch sein. Höchstens ein paar Minuten, ja?«
Unter Rosalies Führung stiegen sie eine Treppe hinauf in den ersten Stock, wo sich zwischen einer Reihe von Büro- und Konferenzräumen drei kleine Zimmer befanden, die mit einer einfachen lebenserhaltenden Apparatur ausgestattet waren.
Vor noch nicht allzu vielen Jahren wäre der Pilot an seinen Verletzungen zweifellos gestorben. Rosalie erläuterte, dass er Verbrennungen dritten Grades an großen Teilen seines Körpers erlitten und genug Rauch und heiße Luft eingeatmet hatte, um seine Lunge ernsthaft zu schädigen. In der Ambulanz hatte man ihm einen kardio-pulmonalen Bypass gelegt und seine Lungenbläschen in Gel eingepackt, um die Heilung zu beschleunigen. Was die Haut betraf …
Nun ja, dachte Marguerite, er sah schrecklich aus, wie er da auf einem weißen Bett in einem weißen Zimmer lag, künstliche, elfenbeinweiße Haut wie feuchte Kleenextücher über sein Gesicht gespannt. Aber das war mehr oder weniger der neueste Stand der Behandlung von Brandverletzungen. In weniger als einem Monat, sagte Rosalie, würde er fast wieder normal aussehen, fast so wie vor dem Absturz.
Die schwerwiegendste Verletzung war ein Schlag gegen den Kopf gewesen, der zwar nicht ganz zum Schädelbruch geführt, aber Hirnblutungen verursacht hatte, die schlecht zu behandeln oder zu beheben waren. »Wir haben alles getan, was wir konnten«, sagte Rosalie. »Dr. Goldhar ist ein wirklich außergewöhnlicher Arzt, wenn man bedenkt, dass wir hier kein voll ausgestattetes Krankenhaus zum Arbeiten haben. Aber die Prognose ist ungewiss. Vielleicht wacht er auf, vielleicht nicht.«
Mr. Sandoval, dachte Marguerite, die versuchte, einen Eindruck von dem Mann unter all den medizinischen Gerätschaften zu gewinnen. Wahrscheinlich kein ganz junger Mann mehr; ein stattlicher Bauch wölbte sich unter der Zudecke. Grau melierte Haare, soweit sie ihm nicht vom Schädel weggebrannt waren.
»Sie haben ihn Mr. Sandoval genannt«, sagte Chris.
»So heißt er. Adam Sandoval.«
»Er war bewusstlos, seit er hier eingeliefert wurde. Woher wissen Sie seinen Namen?«
»Na ja …« Sie schien etwas beunruhigt. »Dr. Goldhar sagte, wir sollten zurückhaltend umgehen mit dieser Information, aber Sie haben ihm das Leben gerettet, nicht wahr? Das war wirklich mutig.«
Die Story war, sehr zu Chris’ Leidwesen, bei Blind-Lake-TV gesendet worden. Ein Interview hatte er abgelehnt, dennoch war die Sache seinem Ruf extrem förderlich gewesen – eigentlich doch wohl keine schlechte Sache, hätte Marguerite gedacht. Aber vielleicht fühlte Chris, der Journalist, sich unwohl im Zentrum eines Medienereignisses, so klein es auch sein mochte.
»Welche Information?«, fragte Chris.
»Er hatte eine Brieftasche und Teile eines Rucksacks bei sich. Das
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