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Quasikristalle: Roman (German Edition)

Quasikristalle: Roman (German Edition)

Titel: Quasikristalle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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verlorenen Wette vom Balkon in den Garten sprang, Xane die Panik bekam wegen der Rosen ihres Hausherren und drei etwas weniger betrunkene Mädchen als Spähtrupp mit Taschenlampe und Küchenschere ausgeschickt wurden, um abgeknickte Exemplare zu beseitigen. Zur Ablenkung des Vermieters, und damit der Rest der Bande die Rosenbeetaktion nicht vom Balkon aus weiterkommentierte, setzte sich jemand ans Klavier, das muss noch vor Mitternacht gewesen sein, zusammen grölten sie Es lebe der Zentralfriedhof , das einzige Lied, das alle konnten, und im Morgengrauen, als die Letzten nach Hause taumelten, hielt Xane sie mit einem flehenden Schmollmund am Ärmel zurück.
    Dann waren sie zu zweit, Krystyna und Xane, vor Bergen von Geschirr, Gläsern und leeren Flaschen. An der frisch gekalkten Wohnzimmerwand entdeckten sie in Kniehöhe einen perfekten Schuhabdruck – wie ist der dahingekommen, fragte Xane zwanzigmal, das gibt’s nicht, das ist viel zu hoch, morgen mess ich das ab, die Schuhgröße wird den Täter entlarven, und wenn ich ihn gefunden hab, werf ich ihn dem Tschoch zum Fraß vor –, während Krystyna erst den verwüsteten Tisch nach übriggebliebenen Zigaretten und dann die vollen Aschenbecher nach irgendeinem Rest absuchte, den man noch rauchen konnte. Bei diesem Detail verharrten sie bei späteren Erzählungen am liebsten: wie sie tatsächlich Zigarettenstummel glatt gestrichen und bis an den Filter fertig geraucht hatten, ekelhaft, aber der letzte Beweis für die erstrebte totale Enthemmung.
    Als sie den Geschirrspüler einräumten, gingen ein paar Gläser kaputt, nach dem dritten tat Xane so, als würde sie ein viertes zur Strafe gegen die Wand werfen. Sie schliefen zusammen in Xanes Bett, Rücken an Rücken, und als Krystyna irgendwann mit gigantischen Kopfschmerzen erwachte, hatten sie beide noch die Schuhe an.
    Gute Partys kann man nicht erzählen, man hat sie einfach, wie Sex. Sie hatten damals eine Menge guter, wilder Partys, doch wenn man es genau nahm, fand das in einer vergleichsweise kurzen Spanne statt, zwischen Mitte und Ende zwanzig. Im Grunde waren es zwei Jahre, vielleicht zweieinhalb, gar nicht so viel Zeit, auf die sich aber noch lange alles bezog. In der ein Freundeskreis entstand, der erst nach sehr vielen weiteren Jahren, Hochzeiten, Kindern, Trennungen und einem Todesfall langsam zerfiel. Er zerbröckelte ohne besonderen Grund, vermutlich aus Altersschwäche. Risse mussten viel früher dagewesen sein. Oder die Bindungen waren in Wahrheit weniger stark als die Sentimentalitäten. Aber gerade Xane und sie hatten immer von dem crazy Altersheim gesprochen, das sie später für alle zusammen gründen würden ( wenn Henry bis dahin immer noch so viel raucht, muss er in einen Seitenflügel ); das entsprach ihrer beider Bedürfnis nach Dauer, Verlässlichkeit, Familienersatz.
    Richard, den Krystyna gerade ein paar Monate kannte, lebte damals teilweise in New York, und bei Xane steuerte das Drama mit diesem Imre unaufhaltsam seinem Höhe-und Endpunkt zu.
    Beide vermissten sie Richard. Spätabends am Telefon neckte Xane ihn, er solle sich mit der Rückkehr lieber beeilen, sonst ziehe sie mit Krystyna zusammen. Dabei zwinkerte sie Krystyna zu, gab ihr den Hörer und verließ den Raum.
    Dann machte Xane endgültig mit Imre Schluss, und Richard kam aus Amerika zurück. Das hätte schwierig werden können, die einsame, Zuwendung fordernde Freundin auf dem Sofa von zwei Frischverliebten, aber solchen Härtetests wich Xane dankenswerterweise aus. Sie stürzte sich in ihre Arbeit und in eine Reihe von vornherein aussichtsloser Affären; und wenn man sie abends im ›Blaubichler‹ traf, unterhielt sie mit selbstironischen Anekdoten von missglücktem Sex und völlig unbrauchbaren Männern den ganzen Tisch.
    Manchmal stand sie mitten im Satz auf, verkündete, ich bin total betrunken , warf einen Schein in die Mitte und sprang in ein Taxi. Nach einem solchen Abgang sagte Peter einmal: Sie ist die witzigste Frau, die ich kenne.
    Und Richard erwiderte: Aber der Mann, der das aushält, ist noch nicht erfunden.
    Du befürchtest also im Ernst, unser Xanerl ist unvermittelbar?
    In das Gelächter hinein sagte Judith, die mit Xane schon in die Schule gegangen war: Ich glaube, es geht ihr gerade wirklich nicht gut.
    Da hatte sie, Krystyna, vehement widersprochen. Und der Meinung war sie bis heute: Xane mochte damals, mit all den Flirts und Fehlgriffen, privat nicht besonders glücklich gewesen sein, aber gleichzeitig

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