Quellen Der Lust
mich fast zu Tode zu schämen. Jung genug, um darüber hinwegzukommen.“
„Und dennoch lässt du nichts auf ihn kommen.“
„Nein, denn du musst verstehen, dass er sehr rücksichtsvoll war.“ Sie bedeutete ihm, mit dem Küssen aufzuhören und sie anzusehen. „Er behandelte mich so, dass ich mich in seiner Gegenwart wohl fühlte, und er bestand nie darauf, etwas gegen meinen Willen durchzusetzen. Mason Eller war ein sehr kluger Mann. Er machte mich mit meinem eigenen Verlangen vertraut und begleitete mich dann in meinen Erkundungen.“
„Die er genauso genoss wie du.“
„Selbstverständlich. Er war kein Heuchler. Er hat nie behauptet, dies lediglich zu meinem eigenen Nutzen zu tun. Aber so funktioniert nun mal eine Ehe. Man schenkt dem anderen Fürsorge, Zuwendung und Leidenschaft … und vertraut darauf, es auch zurückzubekommen. In einer guten Ehe ist das der Lauf der Dinge.“
„Also glaubst du ernsthaft, dass ihr eine gute Ehe geführt habt?“
„Das glaube ich, ja. Es war vielleicht keine sonderlich romantische Liebe, aber wir empfanden viel Zuneigung füreinander. Und hatten Spaß zusammen. Er zeigte mir, dass Lachen und Leidenschaft die perfekte Mischung für eine Partnerschaft sind.“
Einige Minuten lang lagen sie schweigend nebeneinander, umarmten sich zärtlich und genossen das süße Gefühl des gegenseitigen Kennenlernens.
„Sesamkörner, was?“ Seine Stimme klang rau, als er sein Knie zwischen ihre Beine schob. „Sesam, öffne dich.“
Sie lachte. Und gehorchte.
Es war kühl und dunkel, als sie von Jacks leisen Bewegungen erwachte. Das Bett neben ihr war leer, aber noch immer warm. Sie setzte sich auf. Jack war dabei, sich die Hose zuzuknöpfen und verstreute Kleidungsstücke von Boden und Waschtisch aufzuheben.
„Gehst du schon?“, flüsterte sie.
Er hielt inne und drehte sich mit einem melancholischen Lächeln zu ihr um.
„Es ist fast Morgen und ich möchte nicht, dass jemand mich aus deinem Zimmer hinausschleichen sieht.“
„Und auf richtige Gedanken kommen könnte“, sagte sie ironisch und entlockte ihm ein Lachen.
„Genau.“
Er kam auf sie zu, und sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Das Bett schwankte, als er sich hineinfallen ließ. Oder war sie es, die in Erwartung seiner Berührung erbebte? Auf einen Arm gestützt, beugte er sich über sie und drückte ihr sanft die Lippen auf den Mund.
Sie schloss die Augen, und die zärtliche Liebkosung verwandelte sich in einen leidenschaftlichen Kuss.
Als er sich von ihr losriss und sie allmählich wieder klar denken konnte, blickte sie zu ihm hinauf.
Er sah sie an, als wolle er sich jedes Detail ins Gedächtnis einbrennen. Dann strich er über ihre Haare und streichelte zärtlich ihr Gesicht und ihre Schulter.
„Du weißt, dass wir das nicht noch einmal tun können.“ Aus seiner Stimme hörte sie Leidenschaft und Schmerz hinaus.
„Wirklich nicht?“ Sie versuchte, seine und ihre eigenen Gefühle zu deuten.
„Nur ein einziges Mal, hast du gesagt.“ Er stand auf und ging zur Tür, wild entschlossen, wieder in die Rolle des verantwortungsvollen Gentlemans zu schlüpfen. Er nahm Mantel und Hut vom Haken neben der Tür und drehte sich noch einmal um. „Unser einziges Mal muss uns für den Rest unseres Lebens genügen.“
Er schloss die Tür hinter sich, und ein tiefes Gefühl von Verlust und Sehnsucht breitete sich in ihr aus. Doch das hielt nicht lange an und wurde bald von ihrem wieder erwachten Kampfgeist abgelöst.
„Muss für den Rest unseres Lebens genügen?“, wiederholte sie. Jeder Nerv in ihrem Körper rebellierte gegen diese Vorstellung. „Das kannst du vergessen. Wenn du glaubst, dass du mich jetzt los bist, Jack St. Lawrence, dann hast du dich gründlich geirrt.“
Sie sprang aus dem Bett und zitterte vor Kälte, während sie sich wusch und sich die Zähne putzte. Eilig hüllte sie sich in eine warme Decke und setzte sich vor den Kamin, wo sie gedankenverloren in die glühenden Kohlenreste starrte. Während sie sich jedes Detail dieser köstlichen Nacht in Erinnerung rief, scheiterte sie bei dem Versuch, sich vorzustellen, die letzten Stunden mit einem anderen Mann, irgendeinem anderen Mann und sei er auch so anziehend wie der angenehme Thomas Bickering, zu verbringen. Dann kam der entscheidende Test: Sie dachte an ihren verstorbenen Mann und stellte sich vor, an Jacks Stelle habe er sie heute Nacht geliebt.
Sie schauderte bei diesem Gedanken, und alles in ihr wehrte sich dagegen. Diese
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