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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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die Auswahl, die sie erwartet hatten. Aber was genau hatten sie eigentlich erwartet? Er schüttelte den Kopf und streckte seine wild schmerzenden Beine unter dem Tisch aus. »Außer den drei bereits Genannten könnte theoretisch auch noch Lukas Wertheim, ein Schüler aus dem Mathematik-Grundkurs, der zum Tatzeitpunkt in Raum 304 unterrichtet wurde, unter den Opfern unseres zweiten Schützen sein«, setzte er hinzu. »Aber das ist leider nicht definitiv.«
    Winnie Heller, die neben einem Plan des Clemens-Brentano-Gymnasiums an der Wand stand und die bis dato gelben Nadeln der Opfer, die ihr Vorgesetzter soeben genannt hatte, durch rote ersetzte, trat einen Schritt zurück und kniff prüfend die Augen zusammen. »Aber das ergibt irgendwie keinen Sinn, oder?«
    »Merkwürdig, allerdings«, pflichtete Verhoeven ihr bei, während seine Augen der Spur aus roten Stecknadelköpfen folgten, die sich vom dritten Stock des Altbaus durch das Zwischengebäude bis ins Untergeschoss des Neubaus zog. »Denn es würde bedeuten, dass sich unser zweiter Mann auf annähernd gleiche Weise in der Schule bewegt hat wie Hrubesch selbst.«
    »Zumindest wäre er – vorausgesetzt, dass die genannten Opfer tatsächlich auf sein Konto gehen – definitiv im dritten Stock des Altbaus und in der Bibliothek gewesen«, nickte Winnie Heller, indem sie unverwandt auf die rote Nadel starrte, die den Fundort von Angela Lukoschs Leiche markierte. »Dass er auch im Untergeschoss des Neubaus war, beweist Nikolas Hrubeschs Leichnam. Allerdings war unser Mann, so wie’s aussieht, nicht im Erdgeschoss.«
    »Scheiße noch mal, was heißt denn das?«, stöhnte Bredeney, indem er sich die Lesebrille von der Nase riss, die von einem zierlichen Silberkettchen gehalten wurde. »Dass die Täter doch zu zweit unterwegs gewesen sind?«
    »Wir haben eine schiere Unzahl von Zeugen, die das Gegenteil behaupten«, fuhr Hinnrichs den altgedienten Beamten von seinem Platz am Kopfende des Tisches aus an. Seine Nerven lagen mittlerweile so blank, dass ein Funke genügte, um die aufgestauten Gefühle zur Explosion zu bringen.
    Doch der erfahrene Bredeney ließ sich durch das Gepolter seines Bosses nicht aus der Ruhe bringen. »Na schön, demnach wäre also einer vorneweg und der andere hinterher«, konstatierte er.
    Verhoeven schob nachdenklich die Unterlippe vor. »Scheint so.«
    »Ein zweiter Täter, der sich gewissermaßen im Windschatten des ersten bewegt«, murmelte Winnie Heller vor sich hin.
    Hinnrichs’ stahlblaue Reptilienaugen wandten sich ihr zu. »In diesem Fall sollten wir zunächst einmal klären, wer von den beiden vorausgegangen ist, meinen Sie nicht?«
    Ein Hauch von Farbe goss sich über Winnie Hellers Wangen, als sie von der Wand wegtrat und sich wieder auf ihren Platz setzte. Sie schien den kurzen Abstecher nach Hause genutzt zu haben, um sich neu zu schminken. Nein, um den Kratzer auf ihrer Wange abzudecken, korrigierte sich Verhoeven im Stillen, und er grübelte einmal mehr über die Frage nach, ob er seiner jungen Kollegin die Geschichte, die sie ihm als Erklärung für die Verletzung offeriert hatte, so ohne weiteres abkaufen sollte. Eine Katze …
    »Wir haben unzählige Beschreibungen des Amokschützen«, bemühte sich Werneuchen unterdessen, die Fakten, über die sie im Augenblick verfügten, in eine halbwegs geordnete Form zu bringen. »Und diese Beschreibungen sind – sieht man von den üblichen Abweichungen einmal ab – mehr oder weniger identisch: etwa eins achtzig groß, schlank, schwarze Hose, schwarzer Pulli, schwarze Sturmhaube.«
    »Eine Beschreibung, die ganz ohne Zweifel auf Nikolas Hrubesch zutrifft«, sagte Winnie Heller, während sie sich Kaffee aus einer der Thermoskannen nachschenkte. »Ob auch noch auf jemand anderen, wird sich zeigen.«
    Oskar Bredeney reckte sich quer über den Tisch und hielt ihr seine leere Tasse hin. »Dann bleiben wir der Einfachheit halber doch mal beim Outfit«, schlug er vor. »Wäre es nach Lage der Dinge nicht mehr als unwahrscheinlich, dass sich unser zweiter Mann überhaupt verkleidet hat?«
    Hinnrichs starrte ihn an, als habe er den Verstand verloren. »Sie meinen, irgendwer ist in ganz normaler Straßenkleidung durch dieses Gebäude spaziert und hat drei – oder von mir aus auch vier – Menschen erschossen?«
    »Warum nicht?«, gab Bredeney zurück. »Zum einen wäre es unzweifelhaft das Unauffälligste gewesen. Und zum anderen glaube ich kaum, dass diese verschreckten Kinder bei all dem Chaos,

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