Quicksilver
beauftragte, Bedlam und verschiedene andere große Gebäude zu entwerfen – Ihr bringt ein Haus genauso gut zustande wie er, möchte ich wetten – und mit Sicherheit besser als der Dummkopf, der das von Raleigh zusammengeschustert hat.«
Sie waren auf der Pall Mall herausgekommen, die von hübschen Häusern gesäumt war. Daniel beäugte bereits deren Fenster und Dachformen und sammelte Ideen. Roger jedoch hielt den Blick auf den Umzug gerichtet, der sie mittlerweile fast erreicht hatte: mehrere Hundert mehr oder weniger typische Londoner, wenn auch mit einem über Normalmaß liegenden Anteil an Dissidenten – und sogar ein paar anglikanischen Geistlichen. Sie trugen eine Puppe mit sich, die an der Spitze einer langen Stange baumelte: einen Strohmann, gekleidet in kirchliche Gewänder, aber hurenhaft bunt gefärbt und geschmückt, mit einer riesigen, am Kopf befestigten Mitra und einem langen, an einer Hand festgeschnürten Bischofsstab. Der Papst. Daniel und Roger traten beiseite und sahen (nach Rogers Uhr) hundertvierunddreißig Sekunden lang zu, wie die Menge an ihnen vorbeizog und sich von der Straße aus in den St. James’s Park ergoss. An einer Stelle, von der aus sowohl der St. James’s Palace als auch der Whitehall Palace deutlich zu sehen waren, blieben die Leute stehen und rammten die Stange in den Boden.
Schon eilten von der zwischen den beiden Palästen gelegenen Kaserne der Gardekavallerie Soldaten auf sie zu: ein paar berittene Vorläufer, größtenteils aber Formationen von Infanteristen, die zu rasch losgestürmt waren, um geordnete Karrees zu bilden. Sie trugen exotische, phantastische Uniformen mit langen, spitzen Mützen von vage polnischem Stil. 29 Daniel hielt sie zunächst für Dragoner, doch während sie näher heranmarschiert kamen, konnte er an ihren Ochsenledergürteln und -bandoliers Kanonenkugeln mit kleinen Nippeln – Granaten! – baumeln sehen, die ihnen bei jedem Schritt gegen den Leib schlugen.
Auch den Demonstrierenden entging dieses Detail nicht. Nach ein paar hastigen Worten hielt man Fackeln an den Gewandsaum des Papstes und setzte ihn in Brand. Dann stob die Menge explosionsartig auseinander. Bis die Grenadiere anlangten, hatte sich der Demonstrationszug bereits wieder in der Stadt zerstreut. Den Soldaten blieb nichts anderes übrig, als die Puppe herunterzuholen und – wegen der Granaten natürlich mit gebührender Vorsicht – die Flammen auszutreten.
»Das war gut ausgedacht«, urteilte Roger Comstock. »Die Soldaten waren vom Gardekorps – das neue Regiment des Herzogs von York. Es wird zwar von John Churchill kommandiert, aber täuscht Euch nicht, es ist Yorks Truppe.«
»Was um alles in der Welt meint Ihr nur, wenn Ihr sagt, das sei gut ausgedacht gewesen? Ihr klingt ja geradezu wie ein Connaisseur, der den neuesten Port verkostet.«
»Nun ja, dieser Pöbel hätte den Papst sonst wo verbrennen können, nicht wahr? Aber die Leute haben sich für diese Stelle entschieden. Warum hier? Hätten sich keinen gefährlicheren Ort aussuchen können, wo doch ganz in der Nähe Grenadiere stehen. Nun, die Antwort lautet natürlich, dass sie dem Herzog von York eine Botschaft übermitteln wollten... nämlich, dass sie, wenn er seiner Papisterei nicht entsagt, das nächste Mal ihn in effigie verbrennen – wenn nicht gar in Person.«
»Sogar ich habe an jenem Abend in Cambridge bemerkt, dass Gunfleet und die jüngeren Angleseys die neuen Favoriten bei Hofe sind«, sagte Daniel. »Während Epsom in Theaterstücken verspottet und sein Haus vom Pöbel belagert wird.«
»Eigentlich kaum verwunderlich, wenn man die Gerüchte bedenkt...«
»Welche Gerüchte?« Beinahe hätte Daniel hinzugefügt, Ich gehöre nicht zu den Leuten, die dergleichen erfahren oder beachten, aber im Augenblick fiel es schwer, so überheblich zu sein.
»Dass unser mäßiges Kriegsglück auf fehlerhafte Kanonen und schlechtes Pulver zurückzuführen ist.«
»Was für eine herrlich bequeme Ausrede für Misserfolg im Krieg!«
Bis zu diesem Moment hatte Daniel noch niemanden laut sagen hören, dass der Krieg einen schlechten Verlauf nahm. Der bloße Gedanke, dass Engländer und Franzosen gemeinsam nicht ein paar Holländer besiegen konnten, war auf den ersten Blick absurd. Doch nun, da Roger davon gesprochen hatte, war das Ausbleiben guter Nachrichten rückblickend augenfällig. Natürlich suchten die Leute einen Sündenbock.
»Die Kanone, die bei der ›Belagerung von Maastricht‹ explodiert ist«,
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