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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Ausnahme der Neuinszenierung der Belagerung von Maastricht): der Öffnung der Krypta.
    Thomas Hams verlässlicher Keller war unmittelbar nach dem Tode seines Eigentümers von Gerichtsbeamten versiegelt worden, und man hatte rundum Musketiere postiert, um zu verhindern, dass Hams Einleger (die seit einigen Wochen in einem kleinen, murrenden Menschenknäuel, das sich niemals auflöste, davor herumlungerten; wie andere Schmähschriften hochhielten, welche die Gräuel von König Ludwigs Armee in Holland anprangerten, so hielten sie an Thomas Ham adressierte Goldschmied-Noten hoch) einbrachen und ihre diversen Teller, Kerzenhalter und Guineen an sich brachten. Ein juristisches Gezerre begann, das rund um die Uhr weiterging, einen seltsamen Schatten auf Onkel Thomas’ Beerdigung warf und sich über diese hinaus auf zwei, dann drei Tage ausdehnte. Der Besitzer des Kellers lag bereits im Grab, seine Hauptgeschäftspartner waren mysteriöserweise unauffindbar und Gerüchten zufolge in Dünkirchen, wo sie versuchten, mit zerknautschten goldenen Punschschüsseln und Saucieren eine Schiffspassage nach Brasilien zu kaufen. Aber das waren Gerüchte. Die Fakten fanden sich in dem bekanntermaßen sicheren und robusten Keller von Ham Bros. in der Threadneedle Street.
    Dieser wurde schließlich von einem Trupp Lords und Richter, eskortiert von Musketieren, geöffnet, wobei Raleigh, Sterling und Daniel Waterhouse sowie Sir Richard Apthorp und diverse vornehme und wichtige andere als Zeugen anwesend waren. Es war genau drei Tage her, dass König Charles in Sachen königliche Schulden seine Hände in Unschuld gewaschen und Thomas Ham in den Händen des Schatzamtes sein persönliches Golgatha erlebt hatte. Dieses Faktum wurde von Sterling Waterhouse – dem Detailbeobachter par excellence – vermerkt. Als die Schar der bedeutenden und rechtschaffenen Männer die Treppe von Ham House hinaufstieg, murmelte er Daniel zu: »Ob wir wohl den Stein zur Seite wälzen und ein leeres Grab vorfinden werden?«
    Die zweifache Blasphemie entsetzte Daniel – doch da er selbst mittlerweile praktisch in einem Theater wohnte und jeden Abend eine Schauspielerin anschmachtete, konnte er Sterling schlecht dafür kritisieren, dass er einen Witz machte.
    Wie sich herausstellte, war es kein Witz. Der Keller war leer.
    Nun ja – nicht leer. Im Augenblick war er voller sprachloser Männer, die vollkommen baff auf dem römischen Mosaik standen.
    RALEIGH: Dass es schlimm steht, wusste ich. Aber – mein Gott – da ist ja nicht einmal eine Kartoffel.
    STERLING: Es ist so etwas wie ein Antiwunder.
    LORDKANZLER DES REICHES: Geht nach oben und sagt den Musketieren, sie sollen noch mehr Musketiere holen.
    Sie alle standen eine ganze Weile dort. Gelegentlich flammten da und dort im Keller Versuche auf, Konversation zu machen, die aber allesamt verpufften wie ein Funke auf einer feuchten Pulverpfanne. Außer – seltsamerweise – bei den Waterhouses. Die Katastrophe hatte sie heiter gestimmt.
    RALEIGH: Von unserem neuesten Mieter höre ich, dass du beschlossen hast, unter die Architekten zu gehen, Daniel.
    STERLING: Wir dachten, du wirst Gelehrter.
    DANIEL: Alle anderen Gelehrten tun es auch. Hooke ist erst neulich dahinter gekommen, nach welchem Prinzip Bögen funktionieren.
    STERLING: Ich hätte gedacht, das sei schon länger bekannt.
    RALEIGH: Willst du damit sagen, dass alle bereits bestehenden Bögen auf Basis reiner Vermutungen errichtet wurden?
    SIR RICHARD APTHORP: Bögen – und Finanzinstitute.
    DANIEL: Christopher Wren wird sämtliche Bögen von St. Paul’s neu konstruieren, nun da Hooke sie erklärt hat.
    STERLING: Gut! Vielleicht bekommt die neue dann nicht so krumme Beine und schiefe Absätze wie die alte.
    RALEIGH: Sag mal, Bruder Daniel, willst du uns nicht dein Gesellenstück zeigen?
    DANIEL: Gesellenstück?
    RALEIGH: Im Gesellschaftszimmer vielleicht?
    Ein schwaches Wortspiel und von Raleigh, dem Patriarchen (fünfundfünfzig Jahre und auf komische Weise gealtert, sodass er in Daniels Augen wie ein mit Bühnenschminke und den Kleidern eines reichen alten Mannes herausgeputzter junger Raleigh wirkte), ein kryptischer Wink, dass sie sich aus der anwesenden Gesellschaft zurückziehen sollten. Das taten sie denn auch, und Sir Richard Apthorp schloss sich ihnen an. Sie landeten im Obergeschoss von Ham House, in einer Schlafkammer – derselben, in die Daniel von seinem Ausguck auf dem Dach von Gresham’s College hineingespäht hatte. Schon war ein

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