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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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auch ein rein wissenschaftliches Verhalten und er misst sich den Puls – wenn ja, so ist das gut, denn Sir John Floyer hat dieses Verfahren soeben erst erfunden, und wenn Daniel Waterhouse davon weiß, dann heißt das, dass er mit den neuesten Arbeiten in London auf dem Laufenden ist.
    Enoch macht sich die Stille zunutze, um weitere Beobachtungen anzustellen und den Versuch einer empirischen Beurteilung zu unternehmen, ob Daniel tatsächlich so verdreht ist, wie der Lehrkörper des Harvard College ihn glauben machen wollte. Nach den Sticheleien der Doktoren auf der Fähre hatte Enoch nichts als Getriebe und Kurbeln erwartet. Und Waterhouse verfügt denn auch über eine Mechanikerwerkstatt; sie befindet sich in einer Ecke des – wie wird Enoch das Bauwerk gegenüber der Royal Society charakterisieren? »Blockhütte«, wiewohl streng genommen korrekt, lässt an Wilde in Fellen denken. »Stabiles, zweckmäßiges, in keinerlei Hinsicht extravagantes Laboratorium, das auf ingeniöse Weise von einheimischen Baumaterialien Gebrauch macht.« Genau. Aber es wird größtenteils ohnehin nicht von harter Ware wie Getrieben, sondern von weicheren Gegenständen beansprucht: Karten. Sie sind zu schlanken Säulen gestapelt, die schon ein Lüftchen von Mottenflügeln zum Einsturz brächte, wenn sie nicht zu Wällen, Treppen und Terrassen zusammengeschoben wären, wobei das gesamte Gebilde auf einer Schicht loser Ziegel auf dem Lehmboden ruht, was (vermutet Enoch) verhindern soll, dass die Karten das reichlich vorhandene Grundwasser aufsaugen. Er schiebt sich weiter in den Raum hinein und entdeckt, als er an einem Kartenbollwerk vorbeispäht, einen mit unbeschriebenen Karten bedeckten Schreibtisch. Zerzauste graue Federkiele ragen aus Tintenfässern, der Boden ist mit geknickten und abgebrochenen übersät, und Daunen-, Flaum- und Knorpelstückchen bilden nebst anderen Vogelüberresten eine wie Schuppen auf allem liegende Schicht.
    Unter dem Vorwand, das von ihm angerichtete Durcheinander aufzuräumen, beginnt Enoch, die verstreuten Karten vom Boden aufzuheben. Jede trägt oben eine ziemlich große, stets ungerade Zahl und darunter eine lange Reihe von Einsen und Nullen, die er (da die letzte Ziffer stets eins ist, was auf eine ungerade Zahl hindeutet) für nichts anderes hält als ebendiese Zahl, ausgedrückt in der unlängst von Leibniz vervollkommneten, binären Schreibweise. Unter der Zahl steht jeweils ein Wort oder kurzer Ausdruck, auf jeder Karte ein anderer. Während er sie aufhebt und wieder stapelt, liest er: Die Arche Noah; Verträge zur Beendigung von Kriegen; Membranophone (z.B. Mirlitons); Die Vorstellung einer klassenlosen Gesellschaft; Die Pharynx und ihre Ausläufer; Zeicheninstrumente (z.B. Reißschienen); Der Skeptizismus des Pyrrhon von Elis; Erfordernisse gültiger Schiffsversicherungsverträge; Das Kamakura bakufu ; Die Fehlerhaftigkeit von Behauptungen ohne Kenntnisse; Agates; Regeln zur Ermittlung des Sachverhalts vor römischen Zivilgerichten; Mumifizierung; Sonnenflecken; Die Fortpflanzungsorgane der Bryo phyten (z.B. Leberblümchen); Die euklidische Geometrie – Homothetik und Ähnlichkeiten; Pantomime; Erwählung & Herrschaft von Rudolf von Habsburg; Testes; Nichtsymmetrische dyadische Beziehungen; Der Investiturstreit ; Phosphor ; Traditionelle Heilmittel gegen Impotenz; Die armenische Häresie; und -
    »Einige davon kommen einem zu kompliziert vor für Monaden«, sagt er, verzweifelt um eine Möglichkeit bemüht, das Eis zu brechen. »Etwa das hier – ›Die Entwicklung der portugiesischen Hegemonie über Zentralafrika‹.«
    »Seht Euch die Zahl oben auf der Karte an«, sagt Waterhouse. »Sie ist das Produkt von fünf Primzahlen: eine für Entwicklung, eine für portugiesisch, eine für Hegemonie, eine für Zentral und eine für Afrika.«
    » Aha, es ist also keine Monade, sondern ein Kompositum.«
    »Ja.«
    »Das ist schwer zu erkennen, wenn die Karten so durcheinander sind. Meint Ihr nicht, Ihr solltet sie ordnen?«
    »Nach welchem Prinzip?«, fragt Waterhouse schlau.
    »O nein, auf diese Diskussion lasse ich mich nicht ein.«
    »Kein lineares Katalogisierungssystem reicht aus, um die Mehrdimensionalität des Wissens auszudrücken«, erinnert ihn Dr. Waterhouse. »Aber wenn man jedem eine eindeutige Zahl zuordnet – Primzahlen für Monaden und Produkte von Primzahlen für Komposita -, dann muss man lediglich Berechnungen durchführen, um sie zu ordnen... Mr. Root.«
    » Dr. Waterhouse. Verzeiht

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