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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Monaten, den ganzen Krieg hindurch... Ich weiß nicht mehr, wie viele es waren.«
    »Du weißt es nicht mehr? Wie lang ging denn dieser Krieg?«
    »Dreißig Jahre.«
    »Oh.«
    »Sie hatte mindestens ein Dutzend. Der Älteste wurde nach dem Krieg Kurfürst der Pfalz, und die anderen zerstreuten sich, soweit ich weiß, in alle Winde.«
    »Du sprichst sehr gefühllos über sie«, sagte Eliza pikiert, »aber ich bin sicher, dass jeder von ihnen in seinem Herzen die Erinnerung an das trägt, was seinen Eltern angetan wurde.«
    »Mit Verlaub, Mädchen, aber jetzt bin ich durcheinander: Sprichst du von diesen Pfälzer Bälgern oder von dir selbst?«
    »Beides«, gab Eliza zu.
    Er und Eliza hatten eine neue Art der Ernährung gefunden, hauptsächlich auf der Grundlage von Weizen. Wie Jack gern mehrmals am Tag betonte, gehörte er nicht zu den Leuten, die Besitztümer anhäuften. Doch besaß er einen scharfen Blick für das, was in einer Notlage von Nutzen sein konnte, und hatte aus dem Tross einer Truppe, während die Köche auf Beutezug waren, eine Handmühle entwendet. Weizen, der oben hineingefüllt wurde, kam als Mehl wieder heraus, wenn man nur die Kurbel ein paar Tausend Mal drehte. Jetzt brauchten sie nur noch einen Ofen. Jedenfalls hatte Jack das angenommen, bis Eliza eines Abends zwischen Wien und Linz mit ein paar Stöckchen in die Asche ihres Feuers gefahren und eine flache, geschwärzte Scheibe herausgezogen hatte. Erst einmal abgebürstet, erwies sie sich darunter als braun – aufgebrochen roch und schmeckte sie mehr oder weniger wie Brot. Das sei, so erklärte Eliza, eine mohammedanische Art von Brot, die keinen Ofen erfordere und einigermaßen gut zu essen sei, wenn es einem nichts ausmache, ein bisschen Asche zwischen den Zähnen zu spüren. Das hatten sie nun schon über einen Monat lang gegessen. Verglichen mit echten Köstlichkeiten war es erbärmlich, im Vergleich zum Hungertod ausgesprochen wohlschmeckend. »Brot und Wasser, Wasser und Brot – ich komme mir vor, als säße ich wieder im Bunker. Ich bin für Fisch!«, sagte Jack.
    »Wann warst du in einem Bunker?«
    »Die Frage sieht dir ähnlich. Äh, ich glaube, es war nach unserer Abreise von Jamaika, aber vor dem Piratenangriff.«
    »Was hast du in Jamaika gemacht?«, fragte Eliza argwöhnisch.
    »Hab meine umfangreichen militärischen Beziehungen spielen lassen, um als blinder Passagier auf ein Schiff zu kommen, das Kugeln und Schießpulver zu den Festungen Seiner Majestät dort brachte.«
    »Warum?«
    »Port Royal. Ich wollte Port Royal sehen, das für Piraten so etwas ist wie Amsterdam für Juden.«
    »Wolltest du denn Pirat werden?«
    »Ich wollte Freiheit. Als Landstreicher habe ich sie – solange ich meine fünf Sinne beisammenhalte. Ein Pirat dagegen ist (das dachte ich jedenfalls) so etwas wie ein Landstreicher der Meere. Sie sagen, alle Meere zusammengenommen seien größer als das gesamte Festland, und ich nahm an, Piraten müssten um so vieles freier sein als Landstreicher. Und natürlich ein gutes Stück reicher – es ist ja allgemein bekannt, dass die Straßen von Port Royal mit spanischem Silber gepflastert sind.«
    »Sind sie das?«
    »Es fehlt nicht viel, Mädchen. Das ganze Silber der Welt kommt aus Peru und Mexiko -«
    »Das weiß ich. In Konstantinopel hatten wir Piaster.«
    »- und alles, was nach Spanien soll, muss über Jamaika gehen. Diese Piraten von Port Royal haben einen guten Teil davon abgeschöpft. Ich kam sechsundsiebzig dorthin – nur wenige Jahre, nachdem Käpt’n Morgan persönlich Portobello und Panama geplündert und die gesamte Beute nach Port Royal gebracht hatte. Das war ein reicher Ort.«
    »Es gefällt mir, dass du Seeräuber werden wolltest… Ich hatte schon Angst, du hättest Ambitionen zum Zuckerrohrpflanzer.«
    »Dann, meine Liebe, bist du die Einzige auf der Welt, die Piraten höher schätzt als Plantagenbesitzer.«
    »Ich weiß, dass auf den Kapverdischen Inseln und Madeira der ganze Zucker von Sklaven angebaut wird – ist das in Jamaika auch so?«
    »Na klar! Die Indianer sind alle gestorben oder geflohen.«
    »Dann doch lieber Pirat sein!«
    »Wart’s ab. Ein Monat an Bord des Schiffes hat mich gelehrt, dass es auf hoher See überhaupt keine Freiheit gibt. Natürlich bewegt sich das Schiff. Aber das Wasser sieht überall gleich aus, und während man darauf wartet, dass endlich Land über den Horizont kriecht, ist man mit einem Haufen unerträglicher Idioten in einer Kiste eingesperrt. Und

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