Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
aufgepflanzten Lanzen in den Himmel reckten.
    Dann war die Besichtigungstour zu Ende. Denn als sie an der kleinen Insel vorbeischoss und eine Kurve drehte, um mit Schwung zu d’Avaux zurückzukehren, entdeckte sie, dass sie das Eis mit einer sich langsam bewegenden Gruppe von Schlittschuhläufern teilte. Ein flüchtiger Blick zeigte ihr vornehm gekleidete Männer und Frauen. Sie umzufahren hätte sich nicht gehört. Anzuhalten und sich selbst vorzustellen jedoch noch viel weniger. Sie wirbelte herum, sodass sie in d’Avauxs Richtung schaute, fuhr nun rückwärts und ließ sich von ihrem Schwung an der Gruppe vorbeitragen. Am westlichen Ende des Hofvijver formte sie ein langes, geschwungenes U, schaute nach einer weiteren Drehung wieder vorwärts und beschleunigte ihr Tempo, ohne die Schlittschuhe vom Eis zu nehmen, mithilfe von tänzelnden Hüftbewegungen, die sie in einer Schlangenlinie an der langen Vorderseite des Binnenhofs entlangführten, und kam schließlich, kurz bevor sie mit d’Avaux zusammengestoßen wäre, zum Stehen, indem sie die Kufen seitwärts aufpflanzte und ein glitzerndes Eismäuerchen aufschob. Nichts wirklich Akrobatisches – aber es genügte schon, um den Beifall der Blauen Wachen, der St. Georgsschützen und der adligen Schlittschuhläufer gleichermaßen auf sich zu ziehen.
    »Ich habe die Kunst der Verteidigung an der Akademie von Monsieur du Plessis in Paris erlernt, wo die elegantesten Fechter der Welt zusammenkommen, um ihr überragendes Können zur Schau zu stellen – doch keiner von ihnen erreicht Eure Anmut auf einem Paar Stahlkufen, Mademoiselle«, sagte der hübscheste Mann, den Eliza je gesehen hatte, als er ihre behandschuhte Hand hob, um sie zu küssen.
    D’Avaux hatte die Vorstellung übernommen. Der wunderschöne Mann war der Herzog von Monmouth. An seinem Arm geleitete er eine Frau Anfang zwanzig, die groß und schlaksig war und dennoch Hängebacken hatte. Das war Mary, die Tochter des neuen Königs von England und Frau Wilhelms von Oranien.
    Als d’Avaux diese Namen und Titel verkündet hatte, war Eliza zum ersten Mal seit sie sich erinnern konnte nah daran gewesen, die Nerven zu verlieren. Sie erinnerte sich an Hannover, wo der Doktor sie in einen Kirchturm in der Nähe des Herrenhausener Palastes gesetzt hatte, damit sie durch einen Feldstecher einen Blick auf Sophie erhaschen konnte. Dieser d’Avaux dagegen – der Eliza nicht annähernd so gut kannte wie der Doktor – hatte sie mitten ins innere Heiligtum des holländischen Hofes mitgenommen. Wie konnte d’Avaux sie Persönlichkeiten von königlichem Rang vorstellen – wenn er selbst nicht einmal die leiseste Ahnung hatte, wer sie wirklich war?
    Am Ende hätte es gar nicht einfacher sein können. Er hatte sich zu Monmouth und Mary hinübergebeugt und diskret gesagt: »Dies ist – Eliza .« Das hatte wissendes Kopfnicken und Augenzwinkern bei den anderen hervorgerufen, und ein leises aufgeregtes Gemurmel bei Marys Entourage aus englischen Dienern und Gefolgsleuten. Diese waren offenbar nicht einmal einer Vorstellung wert – und das galt erst recht für den Negerpagen und den zitternden javanesischen Zwerg.
    »Keine Komplimente für mich , Euer Gnaden?«, fragte d’Avaux, während Monmouth viele Küsse auf den Rücken von Elizas Handschuh drückte.
    »Ganz im Gegenteil, Monsieur – Ihr seid der eleganteste Schlittschuhläufer von ganz Frankreich«, erwiderte Monmouth lächelnd. Er hatte noch die meisten seiner Zähne. Und ganz vergessen, Elizas Hand loszulassen.
    Mary fiel auf ihren Schlittschuhen fast um, zum einen, weil sie etwas lauter als angemessen über Monmouths’ Bemerkung lachte, und zum anderen, weil sie eine miserable Schlittschuhläuferin war (aus Elizas Augenwinkel hatte sie vorher ausgesehen wie eine Windmühle – mit den Armen rudernd, ohne sich von der Stelle zu bewegen). Vom ersten Augenblick ihrer Begegnung an war für Eliza klar gewesen, dass Mary in den Herzog von Monmouth vernarrt war. Was ein bisschen unangenehm war. Immerhin musste Eliza zugeben, dass sie, um sich zu verlieben, einen gut aussehenden jungen Mann gewählt hatte.
    Mary von Oranien hob an, etwas zu sagen, doch d’Avaux kam ihr zuvor. »Mademoiselle Eliza hat sich tapfer bemüht, mir das Schlittschuhlaufen beizubringen«, sagte er gebieterisch und schaute Eliza mit glänzenden Augen an. »Aber ich bin wie ein Bauer, der einem der Vorträge von Monsieur Huygens lauscht.« Dabei warf er einen Blick hinüber zu dem Wassertor,

Weitere Kostenlose Bücher