Quicksilver
Zahlen und Tabellen durchzuführen, hatten sie die geographische Breite von Gibraltar durchfahren, und folglich war das Land, das sie von Zeit zu Zeit backbords aufblitzen sahen, Afrika. Doch die Sklavenküste war noch sehr weit entfernt im Süden, und viele Wochen an Bord lagen noch vor ihnen.
Doch darin irrte er sich. Später an diesem Tag gab es von den Männern im Ausguck eine heftige Bewegung, und als Jack an Deck kam, sahen er und die anderen von achtern zwei merkwürdige Schiffe herankommen, die auf zahllosen spindeldürren Beinen über das Wasser zu krabbeln schienen. Das waren Galeeren, die typischen Kriegsschiffe der Barbarei-Piraten. Mr. Vliet beobachtete sie eine Weile durch sein Fernglas, während er auf einer Schiefertafel geometrische Berechnungen anstellte. Dann begann er sich zu übergeben und zog sich in seine Kabine zurück. Mr. Foot brach ein paar Truhen auf und fing an, rostige Entermesser und Donnerbüchsen auszuteilen.
»Aber wozu sollen wir für Kaurimuscheln kämpfen?«, fragte einer der englischen Matrosen. »Das wird genauso gehen wie mit den Franzmännern bei St-Malo.«
»Die jagen uns nicht wegen dem, was in unserem Laderaum ist«, erklärte Mr. Foot. »Glaubst du, freie Männer würden sich so in die Riemen legen?«
Nun war Jack nicht der Erste oder Letzte an Bord der Wunden Gottes , der sich fragte, ob es klug war, ihre Flagge an den Mast zu nageln, doch als ihm klar wurde, dass die Barbarei-Korsaren die Absicht hatten, Galeerensklaven aus ihnen zu machen, änderte er seine Meinung. Wie wenn Pulverdampf nach einer Schlacht von einer Meeresbrise davongeweht wird, sah er ganz klar, dass er an diesem Tag sterben würde. Außerdem sah er, dass die Ankunft der Korsaren vorteilhaft für ihn war, da sein Tod ohnehin bevorstand und er lieber im Kampf um seine Freiheit sterben wollte, als während er plante, sie jemand anderem zu nehmen.
Also ging er unter Deck, öffnete seine Seemannstruhe, holte sein Janitscharenschwert in seiner protzigen Scheide heraus und brachte es an Deck. Die Mannschaft hatte sich in ein paar deutlich voneinander getrennte Häufchen aufgeteilt, offensichtlich die Anfänge von Verschwörung und Meuterei. Jack kletterte auf den Bug eines Beiboots, das an Deck festgeschnallt war, und machte von dort einen Satz auf das Dach eines Ruderhauses, das unmittelbar hinter dem Fockmast stand. Aus dieser Höhe hatte er einen guten Blick nach vorne und hinten über die ganze Länge der Wunden Gottes und war (wie gewöhnlich) erstaunt darüber, was für ein schmales Stück sie war. Und dennoch war sie genau wie jedes andere europäische Frachtschiff ein sich langsam dahinschleppendes Schwein im Vergleich zu diesen Galeeren, die so über die Wasseroberfläche glitten wie holländische Schlittschuhe über die Eisfläche eines zugefrorenen Kanals zischten. Sie hatten riesige safranfarbene dreieckige Segel, die sie zusammen mit den Rudern vorwärts trieben, und sie näherten sich in einer einzigen Linie direkt von achtern, sodass die wenigen jämmerlichen Kanonen der Wunden Gottes keine Breitseite abfeuern konnten. Am Heck gab es eine einzige Drehbasse, die vielleicht die vordere Galeere mit einer mandarinengroßen Kanonenkugel hätte beschießen können, doch die Männer, die in ihrer Nähe standen, debattierten, statt das Geschütz zu laden.
»Was für eine Welt!«, brüllte Jack.
Fast alles schaute ihn an.
»Jahr um Jahr zu Hause, damit beschäftigt, Holz zu hacken, Wasser zu schöpfen und in die Kirche zu gehen, nichts um uns abzulenken, außer gelegentlich mal einem Hagelsturm oder einer Hungersnot – dabei braucht ein Mann doch nur an Bord eines Schiffes zu gehen und ein paar Tage hart am Wind zu segeln, und was hat er dann? Korsaren aus der Barbarei und Piratengaleeren vor der Küste Marokkos! Nun hat Mr.Vliet leider nichts für Abenteuer übrig. Ich für mein Teil würde lieber mit den Korsaren die Klingen kreuzen, als mich für sie in die Riemen zu legen – deshalb bin ich dafür zu kämpfen!« Jack zog das Janitscharenschwert heraus, das, verglichen mit Mr. Foots verrosteten Überresten unter der afrikanischen Sonne brannte und glitzerte. Dann schleuderte er die Scheide von sich. Sie fup-fup-fuppte nach backbord, hielt mitten in der Luft inne und tauchte dann senkrecht in die Wellen ein. »Das ist das Einzige, was sie von Schuss-in-den-Ofen-Jack bekommen werden!«
Das entlockte dem etwa die Hälfte der Männer umfassenden Teil der Mannschaft, der sich entschlossen
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