Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
Vom Netzwerk:
und konnte sich daher ausmalen, was passieren würde.
    |315| »Besitzer schlechter Mann«, erklärte er Sebastián in mühsamem Spanisch. »Hat sicher allen Fußfesseln angelegt. Wenn er Brand sieht, er wird flüchten. Aber Indios werden nicht können. Werden alle sterben.«
    »Wie viele hält er gefangen?«, fragte der Ingenieur.
    »Ist schwierig zu sagen. Dreihundert, vielleicht vierhundert   …«
    »Und Umina? Wo könnte sie stecken?«
    »Wahrscheinlich in Carvajals Haus, am anderen Ende der Schlucht«, mutmaßte der Indio.
    »Könntest du einen ungefähren Lageplan aufzeichnen?«, fragte Sebastián Qaytu und reichte ihm einen Stock.
    Noch nie hatte Sebastián bei dem Maultiertreiber ein so großes Bedürfnis gespürt, sich verständlich zu machen, wie nun, da er die Gebäude in den Sand zeichnete. Aber schließlich betraf dieser Angriff die Menschen, die ihm sehr nahestanden und die er liebte: Umina, seine Eltern und Geschwister. Dem Plan war zu entnehmen, dass die Manufaktur gänzlich von einer Mauer aus Ziegeln und Lehm umgeben war. Sebastián versuchte, sich alle Einzelheiten einzuprägen.
    »Und wo steckt laut diesem Plan Umina?«, fragte er dann ungeduldig.
    »In Haus dort hinten. Hinter den Walken zum Filzen«, antwortete Qaytus Landsmann.
    »Wenn es Walken gibt«, erwiderte der Ingenieur, »brauchen sie eine Mühle und einen Bach, der sie antreibt.«
    Qaytu bejahte dies energisch und zeichnete in den Sand einen Wasserlauf, der sich die ganze linke Seite des Grundstücks entlangzog. An dessen Ende, kurz vor der Lehmmauer, setzte er drei weitere Gebäude.
    »Was sind das für Häuser?«
    »Die Pulvermühlen«, antwortete Qaytus Kamerad.
    »Dann ist dieser Angriff ja noch viel gefährlicher, als ich dachte! Wir dürfen keine Zeit verlieren.« Der Ingenieur warf einen Blick auf die Rauchsäulen. Bald würden sämtliche Gebäude in Flammen stehen. »Wo ist der Zulauf für die Walken und Mühlen?«
    |316| Qaytu machte Anstalten, es ihm auf dem in den Sand gezeichneten Plan zu erklären, doch Sebastián hielt ihn zurück.
    »Nicht auf dem Plan, zeig es mir an Ort und Stelle.«
    Der Maultiertreiber bedeutete ihnen, ihm zu folgen. Das Wasser floss in einem in den felsigen Untergrund geschlagenen Kanal, der neben der Lehmmauer verlief.
    »Könnt ihr schwimmen?«, fragte Sebastián Qaytu und dessen Landsmann.
    Die beiden nickten, und die drei Männer stürzten sich ins Wasser. Durch einen schmalen in den Felsen gehauenen Tunnel gelangten sie zu dem Zulauf zur Walke. Die Mühle war dort zu einem massiven Bollwerk ausgebaut worden. Dort war auch das Wasserrad angebracht, ebenso die mächtige Welle, an der die beiden Schwingen befestigt waren,die den Schwung auf die Hämmer übertrugen. Bei jeder Drehung hob das Rad sie abwechselnd in die Höhe und ließ sie dann mit vollem Schwung wieder fallen.
    Auf die andere Seite konnte man nur gelangen, wenn man sich durch das Loch zwängte, durch das die Schwingen geführt waren. Doch solange die Hämmer schlugen, war dies unmöglich, denn diese würden ihnen die Köpfe zerschmettern. Die einzige Möglichkeit,dem zu entgehen,war,sämtliche Schaufeln des Schöpfrads herauszureißen, damit das Wasser das Rad nicht weiter antrieb. Auf diese Weise gelang es den dreien hineinzukommen.
    Die Hitze auf dem Grundstück war unerträglich. Dichter Qualm lag über der Werkstatt. Das Feuer hatte bereits sämtliche Dächer erfasst. Man konnte kaum noch atmen. Qaytu bedeutete seinen Begleitern, sich wie er ein feuchtes Tuch vor den Mund zu binden, und führte sie dann, den einstürzenden Wänden und Dächern ausweichend, auf direktem Wege zum Hauptgebäude.
    Carvajals Männer versuchten in wilder Flucht zum Hinterausgang zu gelangen. Die drei überrumpelten einen, entwaffneten ihn und zwangen ihn, die Schlüssel für die Fußfesseln der gefangenen Indios herauszugeben.
    »Wo steckt Carvajal?«, herrschte Sebastián den Spanier an.
    »Hinten in seinem Haus«, stammelte dieser und zeigte auf den |317| hinteren Teil des Geländes,wo eine Feuersäule sich schon in Richtung Gutshaus und der dahinterliegenden Pulvermühlen wandte. Diese befanden sich zwar noch in einiger Entfernung, doch über den mit Unkraut bewucherten Boden würden sich die Flammen schnell ausbreiten.
    Der Maultiertreiber machte ihnen ein Zeichen, ihm in eines der Gebäude zu folgen, das wie durch ein Wunder noch stand und wo sie die an ihre Arbeitsplätze gefesselten Walker losketteten, sodass diese ihren Kameraden zu Hilfe

Weitere Kostenlose Bücher