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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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Richtung.
    Als Qaytu, Umina und Sebastián kurz darauf zum
tambo
kamen, konnten sie nichts mehr für Anco tun.
    Es war nicht leicht, die Frau vom Leichnam ihres Mannes zu trennen und diesen zu beerdigen. Umina wies Usca an, mit dem Zweispänner sofort nach Cuzco zu reisen, bei ihrer Mutter vorstellig |390| zu werden und dieser von den Vorfällen zu berichten. Sie würde ihnen sicher Zuflucht gewähren.
    Als Qaytos Schwester mit den vier Kindern abgereist war, sattelten Sebastián und Umina zwei Pferde. Anschließend beluden sie ein Maultier mit den für die Reise erforderlichen Dingen. Qayto bestieg ein anderes. Unverzüglich schlugen sie eine Abkürzung in Richtung Norden ein, bei der sie die am meisten genutzten Routen umgingen.
    »War Carvajal vorher schon einmal in eurem
tambo
?«, fragte Sebastián Umina.
    »Er weiß ganz genau, dass meine Familie ihn nutzt, wenn wir zu unseren Ländereien nach Yucay reisen.«
    »Und was wird er jetzt unternehmen?«
    »Er wird versuchen, uns einzuholen. Wir müssen ihm zuvorkommen und unsere Pächter warnen, denn wenn er uns in Yucay nicht antrifft, wird er sich an ihnen rächen. Wir reiten auf dem direkten Weg über die Hochebene, statt den Umweg über Pisac zu machen.«
    »Und wie viel Vorsprung können wir so herausholen?«
    »Wenn sie unterwegs Proviant besorgen und Dörfer und Ländereien nach uns durchsuchen, mindestens zwei Tage.«
    »Ich habe die Landkarte studiert und gesehen, dass wir gleich am Anfang diese Abkürzung hätten nehmen können. Warum sind wir zuerst nach Qenqo Grande gereist?«
    »Weil es Sírax in ihrem Haarschmuck so festgelegt hat«, antwortete die junge Frau. »Ich glaube, dass sie nicht nur den Weg nach Vilcabamba aufzeigen wollte, sondern auch noch einen anderen.«
    »Ihre persönliche Geschichte? Eine Parallelbotschaft?«
    »Kann sein. Ich verstehe nur noch nicht ganz, wie das Quipu mit der Landschaft zusammenhängt. Das können wir erst wissen, wenn wir mehrere der
huacas
gesehen haben.«
     
    Als der Tag sich bereits dem Ende zuneigte, erreichten sie die Länderei von Yucay. Die Pächter hatten gerade ihr Tagewerk vollbracht. Umina wollte nicht, dass sie für sie ein besonderes Abendessen |391| bereiteten, sondern lieber das mit ihnen teilen, was gerade auf dem Feuer kochte. Sie ließ es lediglich abseits von allen in einem Raum servieren, wohin auch Qaytu und Yarpay, ihr dortiger Vertrauensmann, bestellt wurden.
    »Wir werden nur zwei Nächte bleiben«, erklärte die Mestizin dem Verwalter, »alles andere wäre zu riskant. Übermorgen brechen wir noch vor Sonnenaufgang nach Ollantaytambo auf. Niemand darf erfahren, wohin wir reisen. Eine bewaffnete Bande ist hinter uns her. Du kennst ihren Anführer.«
    »Wer ist es?«, fragte Yarpay.
    »Alonso Carvajal.«
    Sebastián sah, dass der Verwalter blass wurde.
    »Deswegen sind wir hier«, fuhr Umina fort. »Um euch zu warnen. Und um zu prüfen, ob die alten Verteidigungsanlagen noch in Ordnung sind, damit sie euch nicht hinterrücks überfallen können. Doch jetzt sollten wir schlafen gehen«, schlug die junge Frau vor. »Morgen steht uns ein harter Arbeitstag bevor.«
     
    Am nächsten Morgen wurde Sebastián von der Betriebsamkeit des Hauses geweckt. Vom Hof drang das Muhen der wohlgenährten Kühe zu ihm herauf, die zum Melken bereitstanden. Schnell zog er sich an, stieg die Treppe hinunter und öffnete die Haustür. Vor der Speisekammer standen ein paar junge Indiofrauen.
    Eines der Mädchen,das er nur von hinten sah,erregte besonders seine Aufmerksamkeit. Es trug das Haar offen,und seine Schultern waren unbedeckt. Da wiesen es die anderen jungen Frauen darauf hin,dass Sebastián in der Tür stand,und sie wandte sich zu ihm um.
    Es war Umina. Ihrem Lächeln und der Art der Begrüßung nach zu urteilen, schien sie sich hier, fern aller Sorgen, die sie noch in Qenqo Grande gequält hatten, sehr wohlzufühlen. Niemals zuvor war sie ihm so schön erschienen.
    Die Mestizin kam mit einem Tablett auf ihn zu, auf dem sich ein Obstkorb, Kuchen, Schokolade und zwei Gläser Milch befanden.
    »Frisch gemolken«, sagte sie. »Lass uns frühstücken.«
    Der jungen Frau entging nicht der Ausdruck im Gesicht des |392| Ingenieurs, als dieser sich an den Tisch im Esszimmer setzte. Er konnte seinen Blick nur schwerlich von der weit ausgeschnittenen Bluse abwenden, die Uminas schlanke Figur betonte.
    »Das hier ist nicht Lima, und auch nicht Cuzco«, sagte sie lachend. »Hier lebt man in der freien Natur, und man

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