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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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Blick stand. Sollte er ihm die Wahrheit sagen? Der Kapitän wirkte vertrauenerweckend. Vielleicht bot sich Sebastián hier die einzige Gelegenheit, die Geheimnisse des Schiffes zu ergründen und insbesondere zu erfahren, was es mit diesem geheimnisvollen Passagier auf sich hatte. Aber was sage ich ihm?, dachte er. Dass vielleicht der Mörder meines Vaters an Bord ist? Kann ich den Mann im grünen Cape wirklich des Mordes beschuldigen?
    |151| Er versuchte das Risiko eines Geständnisses abzuwägen, entschied sich dann aber dagegen.
    »Das habe ich Ihnen doch bereits erklärt, Señor Valdés.«
    Valdés schüttelte ungehalten den Kopf.
    »Sie enttäuschen mich, Fonseca«, antwortete er mit kalter, schneidender Stimme. »Sie kennen den Marqués de Montilla: Mit Sicherheit wird er seinen eigenen Bericht verfassen. Mehr kann ich Ihnen wirklich nicht entgegenkommen. Als Kommandant dieses Schiffes muss ich Sie bitten, sich streng an die Regeln zu halten, die der Obermaat Ihnen darlegen wird. Ich werde nichts mehr für Sie tun können, wenn Sie auch nur die kleinste Unbesonnenheit begehen. Denken Sie daran: Nicht nur Montilla ist hier an Bord, sondern auch seine eigene Truppe. Und die Besatzung. Sie sind Militär und wissen daher genau, dass Sie sich Respekt verschaffen müssen. Das wird nicht leicht sein. Wir Seeleute führen ein sehr hartes Leben und mögen keine blinden Passagiere. Und jetzt gehen Sie und melden sich beim Obermaat.«
     
    Valdés hatte nicht übertrieben. Bald schon bekam der Ingenieur die Abneigung der Schiffsmannschaft gegenüber blinden Passagieren zu spüren. Der Obermaat war ein richtiger Seebär, der schnell einmal aus der Haut fuhr. Nachdem er Sebastián lange hatte warten lassen, kam er mit ein paar Kleidern zurück, die er ihm zusammen mit einer Hängematte überreichte.
    Dann befahl er Sebastián, ihm zu folgen. Vorbei an der Kombüse, wo der Koch und seine Küchenjungen gerade das Feuer in dem bauchigen Eisenherd schürten, stiegen sie zum zweiten und von dort zum ersten Deck hinab und gingen dann weiter Richtung Bug bis zum Fockmast, wo der Obermaat ihm eine dunkle Nische zuwies, die nur vom Licht einer Laterne erhellt wurde.
    Als Sebastián am späten Abend dorthin zurückging, wurde ihm die Enge seines neuen Schlafplatzes sehr deutlich. Der ganze Raum war mit den Kanonen der ersten Batterie vollgestellt, zwischen denen Montillas Truppe ihre Hängematten aufgespannt |152| hatte. So war nur ein schmaler Gang geblieben, durch den man sich seitlich hindurchzwängen musste. Sebastián spürte die feindseligen Blicke der Männer und aus den Kommentaren schloss er, dass Montilla offensichtlich unter seinen Leuten verbreitet hatte, es gebe da einen feinen Pinkel an Bord, dem es einen Dämpfer zu versetzen gelte.
    Wortführer war ein Koloss mit einer roten Mütze. Bracamoros wurde er genannt. Als sich Sebastián mit eingezogenem Kopf durch den schmalen Gang zwängte, stellte der Riese ihm ein Bein. Der Ingenieur stolperte, konnte sich unter dem Gelächter der Expeditionsteilnehmer aber gerade noch fangen. Ungerührt, als sei nichts geschehen, ging er weiter zu seinem Platz.
    Während er seine Hängematte spannte, ratterte es in seinem Kopf. Dieser Bracamoros schien zwar der Leithammel zu sein, doch der andere namens Zambullo schien mehr Hirn zu haben und der kleine Dicke, der seines Aussehens wegen den Spitznamen Tonelete, »Tönnchen«, trug, war wohl für die Witze zuständig. Sebastián war sich sicher, dass er hier nicht lange überleben würde, wenn er ihnen nicht die Stirn böte. Wären erst einmal die Laternen gelöscht, wäre sein Leben keinen Pfifferling mehr wert.
    Nachdem er seine Hängematte aufgehängt hatte, ging er auf demselben Weg wieder zurück hoch zum Deck. Als er in dem schmalen Durchgang an Bracamoros vorbeikam, machte dieser Anstalten, ihm erneut ein Bein zu stellen, und diese bloße Geste reichte den Kumpanen aus, ihn johlend zu feiern.
    Doch Sebastián wich nicht nur dem Bein von Bracamoros aus, er beobachtete ihn dabei auch ganz genau.
    Oben auf dem Deck spazierte er auf und ab, um seine Lungen mit Luft zu füllen und Mut zu fassen. Dann hatte er einen Plan.
    Als er erneut in dem stickigen Schlafraum auftauchte, wurde er von Montillas Expeditionsteilnehmern mit höhnischen Pfiffen begrüßt, was ihn das Schlimmste befürchten ließ. Er irrte sich nicht. Bracamoros wiegte sich geziert in den Hüften.
    »Kann der gnädige Herr nicht schlafen? Behagt ihm unsere Gesellschaft

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