Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin
sie und Raven folgten ihr den Gang entlang in einen der beiden Seitenflügel der Burg. Sein Gästezimmer lag wie der Thronsaal ebenerdig, und Diener waren bereits damit beschäftigt, einen Badezuber mit Wasser zu füllen.
Beruhigt trennte sich Kara von ihm. Nachdem sie ihr eigenes Bad genommen hätte, würde sie mit Raven beratschlagen, wie sie sich beide ihrer Mutter gegenüber verhalten würden – und welche Informationen sie gefahrlos preisgeben konnten.
Auch in ihrem Zimmer waren Dienstmägde beschäftigt, ein Bad zu richten. Nachdenklich betrat Kara den Raum, der sich im Stockwerk über dem Thronsaal befand. Seit über einem Jahr war sie nicht hier gewesen, und doch schien es, als hätte sie das Zimmer gestern erst verlassen. Nichts war an der Einrichtung verändert worden, kein Möbelstück war abgedeckt und nirgendwo lag ein Flöckchen Staub. Scheinbar hatte ihre Mutter wirklich jeden Tag mit ihrer Rückkehr aus dem Tempel gerechnet.
Auf einem Tischchen stand ein Tablett mit einer Auswahl an Obst und einem Krug Wein. Kara füllte sich einen Becher ein, aß ein paar Weintrauben und ließ sich mit einem Stöhnen in einen der Sessel am Kamin nieder. Die letzten Tage waren die anstrengendsten ihres Lebens gewesen, sowohl körperlich als auch für ihre Nerven. Sie fühlte sich furchtbar ausgelaugt und es war längst noch nicht vorbei. Erschöpft fuhr sie sich mit beiden Händen über das Gesicht. Möge die Göttin ihr Kraft geben, alles durchzustehen!
»Prinzessin, Euer Bad ist bereit. Soll ich Euch beim Entkleiden helfen?« Eine Dienstmagd war zu ihr getreten, und Kara ließ die Hände sinken und erhob sich.
Kurz darauf saß sie im heißen Wasser, umgeben von duftendem Schaum. Welch eine Wohltat nach den Strapazen der Reise! Sie räkelte sich zufrieden, dann griff sie nach dem Schwamm und begann, sich abzuwaschen. Raven würde das Baden sicher auch genießen – hatte er nicht gesagt, er mochte nur warmes Wasser? Und im Badezuber musste sie auch nicht fürchten, dass er ertrank. Kara lächelte. Kaum konnte sie es abwarten, ein gemeinsames Leben mit ihm zu beginnen! Es war richtig gewesen, sich gegen die arrangierte Hochzeit zu wehren, denn sonst hätte sie ihn niemals getroffen und ihr Herz wäre für immer leer geblieben. Leider waren die Gefahren noch nicht ausgestanden.
Sie beendete ihre Reinigung, lehnte sich gegen den hölzernen Rand des Bottichs und gähnte laut. Ihre Augenlider waren inzwischen schwer wie Blei und es wurde immer anstrengender, sie offen zu halten. Diese schlagartige Müdigkeit war vermutlich der Entspannung zuzuschreiben und dem Wissen, wenigstens im Moment vor Menwin und Heron in Sicherheit zu sein, dachte sie und gähnte erneut.
Nach einer Weile kehrte die Dienstmagd zurück, wusch ihr die Haare und half ihr, aus dem Zuber zu steigen. Mit halb geschlossen Augen nahm Kara wahr, wie die Frau sie abtrocknete, ihr das Haar kämmte und sie ankleidete. Kaum hatte die Magd das Zimmer wieder verlassen, wollte Kara zu Raven gehen, doch der Anblick ihres Bettes war zu verlockend. Eine weiche Matratze, saubere Laken und eine Vielzahl bequemer Kissen lockten sie.
»Nur einen kurzen Augenblick«, murmelte sie. »Einmal nur die Beine ausstrecken ...« Sie ging zum Bett und ließ sich hineinfallen. Mehr schlafend als wach zog sie die Decke über sich, und kaum berührte ihr Kopf das Kissen, fielen ihre Augen zu.
Dass sich kurz darauf die Zimmertür leise öffnete, jemand ans Bett trat, ihr prüfend ins Gesicht sah und sich daraufhin mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck wieder zurückzog, merkte sie nicht mehr.
19
Kara kam zu sich und streckte sich wohlig. Dieser kurze Schlummer hatte wirklich gutgetan. Tief und traumlos hatte sie geschlafen und nun fühlte sie sich erholt und gewappnet, ihrer Mutter erneut entgegen zu treten. Allerdings war es jetzt höchste Zeit, Raven aufzusuchen, da das Abendessen sicher bald beginnen würde. Sie öffnete die Augen, schwang die Beine aus dem Bett – und erstarrte. Die Sonne schien hell ins Zimmer, dabei müsste es draußen stockdunkel sein! Wie lange hatte sie geruht? Eine furchtbare Ahnung beschlich sie. Sie sprang auf, schlüpfte in ihre Schuhe und eilte aus dem Raum.
Jegliche Anstandsregel missachtend, hastete sie die Treppe hinunter zum Thronsaal, denn inzwischen gab es keinen Zweifel mehr: Sie hatte die Nacht durchgeschlafen! Verärgert über sich selbst rannte Kara den Gang zum Thronsaal entlang. Sie musste sofort Raven finden, damit er sich
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