Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin
stets auszunutzen. Den Gefallen, auf ihre Beleidigungen wie früher mit Wut und Empörung zu reagieren, würde sie ihr nicht mehr tun.
»Heron will Krieg«, erwiderte sie stattdessen beherrscht. Er glaubt an eine alte Prophezeiung, die ...«
»... ihm den Sieg über seine Feinde verheißt«, vollendete Ylda ihren Satz.
»Du kennst die Weissagung?!«, rief Kara überrascht. »Woher?«
»Auch Wegons Berater sind nur Menschen – und bestechlich.« Sie zuckte mit den Schultern. »Es war nur eine Frage der Zeit, bis Heron nach dem Ableben seines Vaters den Tempel überfallen würde, nachdem jener ja auffallend wenig Interesse an der Prophezeiung gezeigt hatte.«
»Du hast das geahnt?« Sie konnte es kaum glauben. »Warum hast du uns keine Truppen bereitgestellt?«
»Meine Truppen sind bereit«, erklärte Ylda ungerührt. »Herons Eindringen gibt mir den perfekten Grund für einen Krieg. Wir werden ihn im Tempel einkesseln und gleichzeitig in Sarwen einfallen, um uns endlich die Silberbergwerke zurückzuerobern, die uns seine Vorfahren vor so langer Zeit abgenommen haben.«
Kara hatte das Gefühl, der Boden unter ihr würde schwanken. »Mutter, nein! Du darfst keinen Krieg beginnen!«
»Ich darf nicht ?«
»Heron wird anfangen, die Menschen im Tempel zu töten, um dich zum Rückzug zu zwingen!«
»Und wo liegt dabei deiner Meinung nach das Problem?«
Kara erbleichte. »Es sind unschuldige Menschen – und meine Freunde.«
»Freunde? Wann fängst du endlich an, politisch zu denken, Tochter?« Verärgert sah ihre Mutter sie an. »Manche Opfer muss man für das größere Wohl in Kauf nehmen.«
Sie konnte nicht fassen, was sie hörte. »Dein Herz ist kalt wie Stein!«, schrie sie, obwohl sie wusste, ihre Mutter würde ein solcher Vorwurf nicht treffen. Verzweifelt suchte sie nach weiteren Argumenten. »Und die Prophezeiung?«
»Ist wertlos, solange niemand sie deuten kann.« Yldas Stimme war gefährlich leise, als sie fortfuhr. »Was bedeutet, du wirst diese Burg bis auf Weiteres nicht verlassen.«
»Du kannst mich hier nicht gefangen halten!«, rief sie. »Raven und ich werden gehen, wann immer wir wollen.«
»Raven?« In Yldas Augen blitzte es argwöhnisch auf. »Wer ist das?«
»Mein Begleiter«, erwiderte Kara knapp. Zuerst musste sie ihre Mutter von einem Krieg abbringen, bevor sie diese mit ihren Heiratsplänen konfrontierte. Sie atmete tief durch und bemühte sich um einen ruhigen Tonfall. »Ein Feldzug ist Wahnsinn, Mutter. Heron wird Sarwen niemals schutzlos zurückgelassen haben. Vielleicht könnt ihr euch friedlich einigen. Du sagst selbst, er ist noch jung.«
»Was verschweigst du mir, Kara?«, fragte Ylda abrupt.
»Gar nichts«, antwortete sie und hoffte, man sah ihr den Schrecken nicht an. Wusste ihre Mutter auch etwas über das Geheimnis von Ravens Geburt?
Prüfend betrachtete Ylda sie, und Kara gelang es, ihrem Blick standzuhalten. »Wir setzen unser Gespräch beim Abendessen fort«, entschied ihre Mutter schließlich, und Kara musste an sich halten, nicht erleichtert aufzuatmen. »Vorher wirst du allerdings ein Bad nehmen«, bestimmte Ylda, »und dein Begleiter auch. Ihn erwarte ich ebenfalls bei Tisch.«
Kara neigte den Kopf. Wenn Mutters Gesicht diesen Ausdruck annahm, war jedes weitere Wort zwecklos. Außerdem konnte sie die Zeit nutzen, sich zusätzliche Gründe zurechtlegen, die gegen einen Krieg mit Sarwen sprachen. Ganz davon abgesehen würde ein heißes Bad ihr und Raven tatsächlich guttun.
»Bis später, Mutter«, verabschiedete sie sich und verließ den Thronsaal.
Auf dem Gang wartete Raven auf sie – unter den wachsamen Augen der beiden Krieger, die vor dem Saaleingang standen. Neugierig sah er sie an.
»Mutter hat uns zum Abendessen eingeladen«, erklärte sie ihm. »Alles Weitere besprechen wir später.« Hoffentlich verstand er, dass sie vor den Wachen nicht genauer werden konnte.
Ein Räuspern erklang hinter ihr. »Prinzessin? Wollt Ihr und Euer Begleiter mir zu Euren Räumlichkeiten folgen?«
Kara wandte sich um, und die Dienstmagd, die sie angesprochen hatte, knickste. »Wo sollen wir untergebracht werden?«, erkundigte sie sich bei der Frau.
»Ihr sollt Euer altes Zimmer wiederbekommen, Prinzessin. Euer Begleiter erhält einen Raum im Gästetrakt.«
»Dann bringen wir erst Raven zu seiner Unterkunft«, entschied Kara. Sie wollte genau wissen, wo er wohnen würde, damit sie ihn noch vor dem Abendessen dort aufsuchen konnte.
Die Magd setzte sich in Bewegung, und
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