Rabenherz & Elsternseele
am Ende nicht. Und sowieso hat sie von Greifvögeln nicht genug Ahnung.«
»Ich bin bestimmt nicht scharf darauf, mich in diesem Turm einsperren zu lassen und mich mit Habichten und Eulen zu unterhalten. Andererseits finde ich es auch nicht besonders schlau, wenn du das machst. Möglicherweise sitzt du nämlich da drin total fest. Und wenn von Meutinger zu früh zurückkommt, ist es für dich viel gefährlicher als für mich.«
Der letzte Keks wanderte aus der Schachtel zwischen Strix’ Zähne. »Wenn ihr euch nicht einigen könnt, mach ich es halt. Aber eigentlich würde ich lieber alles von außen im Blick behalten. Es wäre auch zu auffällig, wenn ich plötzlich aus dem Laden verschwände. Da müsste ich vorher kündigen.«
Jori verschränkte nun ebenfalls die Arme vor der Brust, allerdings viel theatralischer als ich vorher. »Vergesst es. Mir ist egal, was ihr denkt. Ihr werdet diese Hildegard ablenken, und ich gehe in den Turm. Wenn meine Mutter erst frei ist, wird sie wissen, was mit von Meutinger und seiner Schwester zu tun ist.«
Strix nickte. »Dann ist das ja geklärt.«
Ich wollte widersprechen, aber er warf mir einen verschwörerischen Blick zu und zuckte ein bisschen mit der einen Schulter. Er hatte recht. Jori war wild entschlossen und würde sich nicht aufhalten lassen. Wahrscheinlich war es nützlicher, sie von außen so gut wie möglich zu unterstützen. »In Ordnung. Dann lasst uns die Einzelheiten besprechen«, sagte ich.
»Und danach würde ich gern noch das Notizbuch über die Vogelmenschen sehen«, meinte Strix.
Zwei Stunden später hatten wir unseren Plan ausgeheckt. Er kam mir vor wie eine Spinnerei, ich konnte mir nicht vorstellen, dass wir ihn tatsächlich durchführen würden. Es war ein bisschen so, als würden wir nur spielen. Allerdings wurde es nun langsam ein echtes Problem, Jori unterzubringen. Ich wusste ziemlich genau, was Mama sagen würde, wenn ich sie für eine weitere Nacht mit nach Hause brachte. »Pia, du weißt ja, dass ich nichts dagegen habe, wenn du deine Freunde zu Besuch hast, aber jetzt möchte ich doch wenigstens mal bei Jorindes Eltern anrufen und fragen, ob das so in Ordnung für sie ist.«
Um dem vorzubeugen, beschloss ich, Jori lieber eine Nacht in Omas Haus schlafen zu lassen. Damit sie nicht hungern musste, wollte ich noch schnell zum Bäcker radeln und ihr belegte Brötchen holen. Deshalb ging ich gleichzeitig mit Strix hinaus, der nach Hause musste. Na ja, eigentlich wäre mir jeder Grund recht gewesen, um ihn noch kurz unter vier Augen zu sprechen. Kurz bevor wir gingen, drückte ich ihm Omas Notizbücher in die Hand. Seine Augen wurden groß, als er einen Blick hineinwarf. »Das wäre das Richtige für Bubo. Er hat sich immer ziemlich einsam gefühlt mit dieser Sache und nicht viel darüber gewusst. Darf ich mir die Bücher leihen?«
Ich nickte, und er steckte sie in seinen Rucksack. Einen Augenblick wurde mir unwohl dabei, dass ich sie ihm überließ. Sie waren mir sehr wichtig, und wer wusste, ob ich sie heil zurückbekommen würde? Andererseits vertraute ich Strix, auch wenn ich nicht genau wusste, warum.
Draußen hinter dem Haus wartete er auf mich, während ich Omas Fahrrad in den Schuppen brachte. Er hielt sein Rad mit einer Hand, hatte die andere in der Hosentasche und betrachtete die hohen Buchen und Eichen im hinteren Teil des Gartens. »Deine Oma muss Vögel wirklich mögen. Sie hat hier ja sowas wie ein Vogelparadies angelegt. Jedenfalls würde es mir gefallen, wenn ich ein Vogel wäre. Was ich zum Glück nicht bin. Ich war zwar mal neidisch auf Bubo, aber im Moment …«
Ich ging zu meinem Rad an der Hauswand und setzte den Helm auf. »Ich bin neidisch. Auch wenn offenbar eine Menge Ärger damit verbunden ist. Aber das Fliegen … davon träume ich nicht nur nachts«, meinte ich.
Er lächelte mich an. »Dafür gibt’s Flugzeuge, Hubschrauber, Gleitschirme … Da muss man nicht tagelang mit einem Schnabel im Gesicht rumlaufen. Ich mach bestimmt irgendwann einen Pilotenschein.«
Hoffentlich würde er nicht fliegen, wie er Fahrrad fuhr, dachte ich. »Mein Vater war Pilot. Er soll Fliegen auch toll gefunden haben. Aber ich glaube, es ist doch ein ganz anderes und viel besseres Gefühl, wenn man es selbst kann. Du stößt dich einfach ab und …« Ich breitete die Arme aus, ließ dabei mein rotes Ersatzflugzeug los und konnte es gerade noch rechtzeitig auffangen, bevor es umfiel.
Als würde sie meinen Traum vom Fliegen lächerlich
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