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Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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finden, hob eine fette graue Taube vom Dachfirst ab und flog in besonders würdevoller Haltung auf das Carport der Nachbarn. Tauben wirkten oft eingebildet oder dumm, fand ich. Eine Spatzentruppe ließ sich von der Dicken verscheuchen und breitete sich tschilpend im Garten aus. Das wiederum schien eine von den Elstern zu stören, die mit einem lauten »Schäckäckäck« einen Baumwipfel weiter hüpfte.
    »Ich muss jetzt leider echt los«, sagte Strix.
    »Alles klar. Wir sehen uns laut Plan«, gab ich zurück. Als wir die Straße erreichten, hob er noch mal lässig die Hand, und dann sah ich nur noch seinen Feuerstreif, so schnell war er verschwunden. Ich fuhr in deutlich gesitteterem Tempo zur Bäckerei. Leider müsse er los, hatte Strix gesagt. Leider. Tja, das fand ich auch.

Verloren und wiedergefunden
    W
ir hatten uns ausgerechnet, dass Jori und ich vermutlich erst am übernächsten Tag in Aktion treten mussten. Denn schneller konnte es von Meutinger sicher nicht einrichten, die Burg zu verlassen, selbst wenn er sofort auf den Köder hereinfiel. Ich nutzte also den nächsten Morgen, um das zu tun, was man in den Ferien eigentlich öfter mal machen sollte: Ich schlief lange und blieb bis zehn Uhr im Bett liegen. Was natürlich auch damit zu tun hatte, dass ich nicht besonders scharf darauf war, schon wieder Zeit mit Jori zu verbringen. Allerdings hatte ich bald ein schlechtes Gewissen, weil ich sie ja wenigstens mit Lebensmitteln versorgen musste. Nachdem ich einmal aufgestanden war, beeilte ich mich deshalb, startklar zu werden und ein paar Sachen für sie zusammenzupacken. Im letzten Moment dachte ich noch daran, mein Handy vom Aufladekabel zu holen. Zwei SMS warteten auf mich. Ein Gruß von Annabelle, den ich mir für später aufhob, und eine Nachricht von Strix:
    Sorry, muss mit meiner Fam zur Beerdigung nach Braunschweig. RuDian. Strx
    Ich seufzte aus mehr als einem Grund. Kein Befreiungsplan ohne Strix, war der eine. Kein Strix, der andere. »Verknallt« wollte ich es zwar noch nicht nennen, aber es machte mich eindeutig glücklich, Zeit mit ihm zu verbringen. Ich schrieb ihm eine kurze Nachricht zurück, nachdem ich ewig lange darüber nachgedacht hatte, was ich texten sollte, und mindestens hundert Möglichkeiten verworfen hatte:
    Auch sorry. Wer ist gestorben? Bis dann. Pia
    Strix’ trübe Nachricht machte meine Freude auf den Besuch bei Jori nicht größer. Zu allem Überfluss fing es auch noch an zu nieseln, als ich zum Fahrradschuppen ging. Kein Mensch war draußen, und nicht einmal die Elstern ließen sich blicken, an die ich mich in den vergangenen Tagen so gewöhnt hatte.
    Unterwegs warf ich einen Blick Richtung Burg Falkenstein, sah aber nur grauen Himmel und Regenwolken. Missmutig schloss ich Omas Haustür auf, trat ein und blieb erstarrt stehen. Die kleine Vase, die immer auf dem Schuhschrank im Flur gestanden hatte, war heruntergefallen und zerbrochen. Auch ein Teil der dort gestapelten Werbepost lag auf dem Boden. Wäre es nur das gewesen, hätte ich wohl geglaubt, dass Jori einfach ein Missgeschick passiert war, aber an der gegenüberliegenden Wand sah ich in Brusthöhe eine dunkelrote Schliere auf der Tapete. Der Gedanke, dass es Blut sein könnte, ließ mich beinah wieder rückwärts aus dem Haus stolpern. Ich hatte schon unwillkürlich nach meinem Handy gegriffen, um den Notruf wählen zu können, und mein Herz hämmerte. Andererseits dachte ich daran, dass ich mich völlig lächerlich machen würde, wenn sich die Lage als harmlos herausstellte. Zögernd machte ich einen weiteren Schritt ins Haus. »Jori? Wo bist du?«
    Keine Antwort.
    Kurzentschlossen lief ich nun tatsächlich aus dem Haus. Statt die Polizei zu rufen, rannte ich allerdings schnell von Fenster zu Fenster und spähte hinein. So weit ich sehen konnte, war da niemand. Jede Ecke konnte man aber leider nicht überblicken, und außerdem blieb noch das Obergeschoss.
    Mit zitternden Händen machte ich die Haustür weit auf, klemmte eine Zeitung darunter, damit sie nicht wieder zufiel, und schlich zur Treppe. Ich lauschte, doch auch oben herrschte Stille. »Jori!«, rief ich noch einmal. Dann fasste ich mir ein Herz, ging vorsichtig die Treppe hinauf und blickte in die Zimmer. Niemand war darin, und die beiden Betten waren unberührt. Wo auch immer Jori war, sie hatte nicht hier geschlafen. Auch auf dem Dachboden, über den sie beim ersten Mal ins Haus gelangt war, gab es keine Spur von ihr.
    Auf einmal machte ich mir solche Sorgen

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