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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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oder Jagu darauf achteten. Erst als Jagu eine Kerze anzündete, merkte sie, dass es fast finster im Atelier geworden war. Im trüben Flammenschein übten sie weiter.
    Irgendwann bedeckten vollgeschmierte Papiere den Boden ringsum und Mions Unterarme waren mit Kohlespuren übersät. Mutlos ließ sie die Hand sinken und massierte ihr schmerzendes Gelenk. »Ich kann es einfach nicht!«
    Jagu paffte seine Pfeife und betrachtete ihr momentanes Werk. »Weißt du, was wir machen?«
    Erwartungsvoll zog sie die Brauen hoch. Er wischte ihr Kohle von der Stirn. »Morgen weiterüben.«
     
    Selten hatte sie so tief geschlafen wie in dieser Nacht. Als sie bei Sonnenaufgang erwachte, viel früher als sonst, empfand sie eine vage Vorfreude, die sich erst legte, als sie an ihre missglückten Versuche von gestern dachte.
    Sie lief in die Küche und stibitzte ein Stück Brot und Käse aus der Vorratskammer. Das Frühstück aß sie auf dem Weg zum Atelier. Auch wenn Jagu noch nicht wach war, würde sie mit den Übungen weitermachen. Sie war fest entschlossen - nicht zuletzt, weil womöglich ihr Leben davon abhing. Aber daran, dass sie tatsächlich den Drachenprinz porträtieren sollte, versuchte sie lieber noch nicht zu denken.
    Als sie die Tür zum Atelier öffnete, fand sie auf dem Boden ein Stück Pergament. Sie hob es auf und drehte es um - eine düstere Szene breitete sich vor ihr aus. In den oberen Ecken drängten sich Raben, Hunde und Dämonen, die weiter unten mit dem Körper einer Frau verschmolzen. Die Frau schien zu tanzen, ja ihre Füße schwebten frei in der Luft, und doch war ihr Rücken wie unter einer schweren Last gebeugt. Kräftige Schatten beherrschten ihre Gestalt.
    Mion hatte Jagus Arbeiten gut genug studiert, um zu erkennen, dass diese nicht von ihm stammte. Die Striche waren runder und zarter, weniger schwungvoll, weniger deutlich. Es konnte nur ein Bild von Faunia sein.
    Und ob Mion sie nun verabscheute oder nicht, dieses Werk verlangte Bewunderung.
    Umso erbärmlicher kamen ihre Stümpereien ihr jetzt vor. Behutsam legte sie Faunias Zeichnung neben sich und nahm sich vor, die Frauenfigur abzumalen.
    Das Ergebnis war geradezu peinlich. Mion zerknüllte das Papier und stopfte es in die Tasche ihres Kleides, obwohl Jagu ihr verboten hatte, je eine Zeichnung wegzuwerfen, egal wie schlecht. Mion seufzte. Dann probierte sie es noch einmal.
    Als sich die Tür zu Jagus Schlafzimmer öffnete, schien die Sonne bereits durch alle Fenster. Überrascht blieb Jagu stehen und Mion musste beim Anblick seiner ungekämmten Verschlafenheit grinsen. Er zog sich das Wams über dem Hemd zu und verschränkte die Arme. »Seit wann bist du hier?«
    »Seit Sonnenaufgang. Ich habe dich schnarchen gehört.«
    »Ich schnarche nicht.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ich schlafe nicht.«
    Ein Punkt für ihn. Gähnend ging er an ihr vorbei. »Frühstücken wir erst einmal.«
    »Ich übe lieber weiter.«
    Er blieb in der Tür stehen und lächelte. »Die Antwort einer wahren Künstlerin. Ich sehe mir gleich an, wie du vorankommst.«
    Mion hob Faunias Zeichnung hoch. »Du hast ein Geschenk bekommen.«
    Das Lächeln war noch nicht ganz von Jagus Gesicht gewichen, als er die Zeichnung sah. Auch nicht, als er wortlos verschwand.
     
    Als Jagu wiederkam, ließ er sie ein Dutzend Kreise malen und schattieren, dann sollte sie Bilder abzeichnen. Die meisten waren einfache Posen von Menschen und Tieren, aber Mion hatte trotzdem Mühe, eine einigermaßen erkennbare Kopie anzufertigen. Gegen Mittag schmerzte ihre Hand wieder, und sie war froh, als sie die Glocke der Köchin läuten hörte.
    Nach dem Mittagessen ging es gleich weiter. Jagu malte an einem eigenen Bild - ein Auftrag, wie er sagte -, und wann immer Mion nicht in ihre eigene Arbeit vertieft war, beobachtete sie ihn beim Farbenmischen und Malen. Sie beneidete ihn um die Mühelosigkeit, mit der er die schönsten Dinge auf die Leinwand bannte. Es sah ganz einfach aus.
    Sie seufzte. »Selbst wenn ich den Prinzen in einem Jahr und nicht in vier Tagen porträtieren sollte, wäre ich verloren.«
    Jagu klopfte ihr auf die Schulter. »Mach dir keine Sorgen. Übe weiter. Komm - ich zeige dir, wie man mit Farben malt.«
    Er führte sie vor die Leinwand, auf die er gestern die Figur gezeichnet hatte. Inzwischen war der Umhang der Figur leuchtend blau geworden. Jagu drückte Mion einen Pinsel und die Farbpalette in die Hand und ließ sie die Beinlinge blau anmalen. Sie stellte sich nicht besonders

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